Westerwelle sprach Mursi sein Vertrauen aus für die weitere Demokratisierung des arabischen Schlüssellandes. Mursi sei jemand, der auf Rechtsstaatlichkeit, Pluralität und auch auf religiöse Toleranz setze.

Kairo. Im zuletzt immer schärfer geführten Machtkampf in Ägypten bemühen sich beide Seiten um Deeskalation. Das von den Islamisten dominierte ägyptische Parlament widersetzte sich zwar gestern mit einer Sitzung seiner vom Militärrat nach einem Urteil des Verfassungsgerichts angeordneten Auflösung, vermied aber eine direkte Konfrontation mit den Militärs. Präsident Mohammed Mursi, der gegen den Willen der Generäle und des Gerichts die Wiedereinsetzung der Kammer beschlossen hatte, nahm am zweiten Tag in Folge an einer Militärzeremonie teil, zu der auch der Vorsitzende des Militärrats, Feldmarschall Hussein Tantawi gekommen war.

Auch die Sicherheitskräfte vermieden eine Auseinandersetzung und ließen die Abgeordneten ungehindert das Parlamentsgebäude betreten. Bei der nur etwa fünfminütigen Sitzung stellten sich die Parlamentarier - in einer symbolischen Geste - gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts, das Parlament wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei der ersten Wahl seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak vor 17 Monaten aufzulösen.

Parlamentspräsident Saad al-Katatni forderte vor den Abgeordneten - die Parlamentarier aus dem liberalen und dem linken Spektrum waren allerdings zumeist ferngeblieben -, die Kammer müsse einen Weg finden, die Entscheidung des Verfassungsgerichts umzusetzen. Gleichzeitig schlug er vor, ein Berufungsgericht einzuschalten, um die Rechtmäßigkeit des Urteils zu prüfen. Zunächst war aber unklar, ob das Berufungsgericht die Anfrage des Parlaments annehmen würde.

Die Spannungen hatten sich nach einem Erlass von Präsident Mursi, die Auflösung des Parlaments rückgängig zu machen, am Sonntag dramatisch erhöht. Das Oberste Verfassungsgericht bestätigte am Montag sein Urteil, demzufolge die Zusammensetzung des Parlaments unrechtmäßig erfolgt ist.

Noch während die Machtprobe zwischen Militärrat einerseits und Parlament und Präsident andererseits lief, traf Außenminister Guido Westerwelle als erster hochrangiger Politiker aus einem westlichen Staat mit dem erst vor gut einer Woche vereidigten Staatsoberhaupt in Kairo zusammen. Westerwelle sprach Mursi sein Vertrauen aus für die weitere Demokratisierung des arabischen Schlüssellandes. Mursi sei jemand, der auf Rechtsstaatlichkeit, Pluralität und auch auf religiöse Toleranz setze, sagte der FDP-Politiker nach dem Gespräch mit dem ersten Zivilisten an der ägyptischen Staatsspitze. Der ägyptischen Bevölkerung sicherte Westerwelle volle Unterstützung auf dem Weg zur Demokratie zu. "Sie können sich auf Deutschland verlassen", sagte er. "Ich appelliere an alle Ägypter, den Weg zur Demokratie zu unterstützen."

Im Namen von Kanzlerin Angela Merkel lud Westerwelle den ägyptischen Präsidenten zum Besuch nach Deutschland ein. Mursi habe ihm auch versichert, dass er sich an internationale Verträge halten werde, betonte der Außenminister. "Das umfasst natürlich auch die Fragen im Nahen Osten", sagte er. In Israel gibt es Befürchtungen, dass Ägypten den mehr als 30 Jahre alten Friedensvertrag der Nachbarstaaten infrage stellen könnte. Westerwelle zeigte sich zuversichtlich, dass eine Lösung des Machtkampfs um das Parlament möglich ist. Mursi habe klar gemacht, dass er nicht die Entscheidung des Gerichts infrage stelle, sondern dass es um die Umsetzung des Urteils gehe.

Westerwelle betonte, dass deutsche Unternehmen Interesse an Investitionen in Ägypten hätten. Zugleich drang er darauf, dass dafür die Bedingungen geschaffen werden. Dazu zähle auch der demokratische Wandel.