Der neue Bundesvorsitzende, der Hamburger Bernd Schlömer, hält Koalitionen mit allen demokratischen Parteien für vorstellbar.

Neumünster. Bernd Schlömer, der neue Vorsitzende der Piratenpartei, will seine Partei auf Kurs Bundestag bringen. Dazu werde in den kommenden Wochen zunächst ein "inhaltliches Wahlprogramm" erarbeitet, kündigte Schlömer am Sonntag beim Bundesparteitag in Neumünster an. Seine Partei nutzte die Versammlung, um sich von rechtsextremistischen Strömungen zu distanzieren und die Satzungsordnung zu ändern. Zu einer möglichen Regierungsbeteiligung seiner Partei sagte Schlömer: "Wenn man an Wahlen teilnimmt, dann verfolgt man grundsätzlich auch das Ziel, Verantwortung zu übernehmen." Allerdings müsse immer im Einzelfall entschieden werden, wie viel Verantwortung die Mandatsträger übernehmen wollten. Generell vorstellbar seien Koalitionen "mit allen demokratischen Parteien".

Die Mitglieder hatten den mit seiner Familie in Hamburg lebenden und beim Verteidigungsministerium beschäftigten Schlömer mit 66,6 Prozent Wählerstimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Er setzte sich gegen Vorgänger Sebastian Nerz durch, der auf 56,2 Prozent der Stimmen kam. Die Wähler konnten mehrere Stimmen für die Kandidaten abgeben.

Der umstrittene Berliner Pirat Dietmar Moews kam nur auf 0,9 Prozent der Stimmen. Seine Bewerbung stieß auf Proteste. Etwa ein Drittel der Parteimitglieder verließ den Saal, als er an das Mikrofon trat. Während seiner Rede musste sich der 60-Jährige laute Unmutsrufe und Pfiffe gefallen lassen. Moews hatte in einem Video auf der Plattform YouTube das "Weltjudentum" kritisiert und der jüdischen Minderheit nahegelegt, sich anzupassen.

Die Piratenpartei steht seit Wochen wegen fehlender Distanzierung zu rechtsextremistischen Strömungen in den eigenen Reihen in der Kritik. Auf dem Parteitag in Neumünster verabschiedeten sie mit großer Mehrheit eine Erklärung gegen das Leugnen des Holocausts - dies widerspreche den Grundsätzen der Partei.

Nerz waren aus seiner Partei in der Rechtsextremismus-Debatte Versäumnisse vorgeworfen worden. Bei der Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden konnte er sich dennoch mit 73,8 Prozent deutlich gegen seine Mitbewerber durchsetzen. Nerz sagte, er könne mit dem Ergebnis leben. Markus Barenhoff aus dem Landesverband NRW wurde zum zweiten Parteivize gewählt. Der Parteitag hatte zuvor entschieden, dass das Amt künftig doppelt besetzt werden soll. Neuer politischer Geschäftsführer und Nachfolger von Marina Weisband wurde der Berliner Pirat Johannes Ponader. Etwa 1500 Parteimitglieder nahmen an der zweitägigen Versammlung teil. Neben der Wahl des Vorsitzenden standen knapp 200 Programmanträge und zahlreiche Satzungsanträge, darunter grundlegende Fragen zur Struktur der 2006 gegründeten Partei, auf der Tagesordnung. So entschieden die Mitglieder, dass der Bundesvorstand weiter jährlich gewählt werden soll. Der Vorschlag, den Vorstand alle zwei Jahre zu wählen, hatte vor dem Treffen kontroverse Debatten ausgelöst.