Piratenpartei gerät wegen der NSDAP-Äußerungen Delius' zunehmend in die Kritik. Grüne sprechen von “ungeheuerlicher Grenzüberschreitung“.

Berlin/Hamburg. Über die Piratenpartei bricht wegen des NSDAP-Vergleichs des Berliner Abgeordneten Martin Delius ein Flächenbrand der Kritik herein. Als „ungeheuerliche Grenzüberschreitung“ verurteilte die Grünen-Parteichefin Claudia Roth die Äußerungen des Piraten in der Zeitung „Die Welt“ . Die Piratenpartei sei offenbar ihrer gesellschaftlichen Verantwortung „nicht gewachsen“. Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, sieht bei den Piraten ein „echtes Abgrenzungsproblem“ zu Rechtsextremisten.

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Roth forderte die Piraten auf, ihre fundamentalen Werte „glasklar und unmissverständlich demokratisch“ zu definieren und „in Richtung Rechtsextremismus eine unverrückbare Grenze“ zu ziehen. Viele von den Piraten glaubten, jede Meinung gelten lassen zu müssen, selbst in der eigenen Partei, sagte Beck. „Auch wenn sie diese Meinung selbst ekelhaft finden“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dass Rechtsextremisten versuchten, die Piraten zu unterwandern, sei bei einer neuen Partei nicht überraschend. Daran seien die Piraten auch nicht schuldig. „Schuldig machen sie sich nur, wenn sie sie auch in der Partei dulden“, sagte Beck der Zeitung. Piraten-Parteichef Sebastian Nerz sagte zu den Äußerungen, Delius habe einen Fehler begangen, den man nur einmal mache. Er empfahl seinen Parteikollegen künftig vorsichtiger im Umgang mit Journalisten zu sein. Delius' Fehltritt führte Nerz auf Medienunerfahrenheit zurück. Viele Piraten könnten noch zu wenig einschätzen, welche Folgen ein Kommentar haben könne.

Der Generalsekretär der Berliner CDU, Kai Wegner, hatte Delius den Rücktritt von seiner Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer nahegelegt. Wegner hatte der Berliner Tageszeitung „B.Z.“ gesagt, die Piraten müssten klären, ob Delius nach dem inakzeptablen Vergleich in der Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer weiter tragbar sei. Wegner forderte, dass die Piraten ihr Verhältnis zu rechtsextremen Tendenzen in der Partei klären. Solche unsäglichen Äußerungen zum wiederholten Male machten deutlich, dass die Piraten mit ihrer politischen Rolle überfordert seien.

Die Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Künast forderte die Piratenpartei auf, ihr Verhältnis zum Rechtsextremismus und zur deutschen Geschichte grundsätzlich zu klären. Die Partei müsse jetzt klären, „ob sie rechtsextremistische Einstellungen und Bestrebungen in ihren Reihen duldet“, sagte Künast der „Berliner Morgenpost“ . Die Piraten müssen sich Künast zufolge „ernst nehmen lassen wie jede andere Partei auch“. Deshalb reiche es nicht, wenn einzelne Parteimitglieder hier und da ihre unhaltbaren Äußerungen zurücknehmen.

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Der parlamentarische Geschäftsführer der Berliner Piraten-Fraktion, Martin Delius, hatte am Wochenende mit einem Vergleich zwischen seiner Partei und der NSDAP für Empörung gesorgt. Er entschuldigte sich und zog daraufhin auch seine Kandidatur für den Bundesvorstand der Piratenpartei zurück. Diese trifft sich am kommenden Wochenende zu ihrem Bundesparteitag in Neumünster. „Ich habe durch das unbedachte Zitat die Piraten extrem beschädigt“, sagte Delius am Sonntag dem Nachrichtenportal „Spiegel Online“. Delius hatte zuvor dem „Spiegel“ gesagt: „Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933.“ Damit löste er eine Empörungswelle aus, was in der Bloggerszene allgemein als Shitstom bezeichnet wird. Später bat er um Entschuldigung.

In seinem Blog entschuldigte sich Delius für seine Äußerung. „Das Zitat ist mir wirklich so passiert und war der Schlusssatz einer Ausführung zum derzeitigen beispiellosen Wachstum der Partei“, schreibt er. Er habe nie eine strukturelle, inhaltliche oder historische Gemeinsamkeit mit der NSDAP andeuten wollen. Er fügte hinzu: „Ich entschuldige mich bei allen Piraten und Unterstützern für den Vergleich und die damit verbundene Außenwirkung.“

Seit Wochen ringt die Piratenpartei kontrovers um die Frage, inwieweit man sich von rechtsextremem Gedankengut abgrenzen muss. Nachdem die öffentliche Kritik immer schärfer wurde, hatte der Berliner Landesverband am Freitag eine Konferenz zu dem Thema angekündigt. Ende Mai sollen sich demnach die Parteimitglieder zusammen mit Fachleuten beraten.

Mit Material von dpa/dapd