Politisch ist das Bahn-Projekt Stuttgart 21 nach dem Volksentscheid kaum zu stoppen. Juristisch haben die Gegner aber einen Sieg errungen.

Mannheim/Stuttgart. Zwangspause für Stuttgart 21: Wichtige Bauarbeiten an dem umstrittenen Bahnprojekt werden bis auf weiteres gestoppt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) gab am Freitag einer Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) statt und verlangte Nachbesserungen beim Artenschutz im Stuttgarter Schlossgarten.

Die Mannheimer Richter rügten das Grundwassermanagement des Bahnprojekts. Es soll den Bau des Tiefbahnhofs in einer weitgehend wasserfreien Grube garantieren. Laut Urteil wurden die Auswirkungen von versetzten Rohrleitungen, Brunnen und Messstellen auf die Natur nicht berücksichtigt. Insbesondere geht es um Bäume im an den Bahnhof angrenzenden mittleren Schlossgarten, auf denen geschützte Juchtenkäfer leben. Der zentrale Bestandteil des Milliardenprojekts liegt ohne diese Grundwasser-Vorarbeiten für die nächsten Wochen auf Eis. Experten rechnen mit Verzögerungen von bis zu drei Monaten.

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Der BUND hatte dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) vorgeworfen, bei einer Änderung des Grundwasserkonzepts mögliche Gefahren für den Juchtenkäfer und für Vögel- und Fledermausarten nicht ausreichend geprüft zu haben; zudem hätte der BUND an dem Verfahren beteiligt werden müssen. In der Verhandlung vor dem VGH am Donnerstag hatte die Bahn die Vorwürfe zurückgewiesen.

Das Gericht teilte mit, die vom Eisenbahn-Bundesamt zugelassene Änderung des Planfeststellungsbeschlusses sei „rechtswidrig und nicht vollziehbar“. Gegen das Urteil im Hauptsacheverfahren ist keine Revision zugelassen, doch dagegen könne Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden, erklärte der VGH. Zugleich entschied das Gericht im Eilverfahren, dass die Baumaßnahmen am Grundwasserkonzept vorläufig unterbleiben müssten. Dieser Beschluss sei unanfechtbar.

Die Bahn setzte daraufhin die Bauarbeiten am Grundwassermanagement aus. Dies gelte bis zur abschließenden Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes über die beantragte Änderung der Baugenehmigung, erklärte die Bahn in Stuttgart. Sie rechnet mit zusätzlichen Auflagen zum Artenschutz. Eine Beteiligung des BUND bei Fragen des Arten- und Naturschutzes „kann aus Sicht der Bahn ohne weiteres erfolgen und wird von der Deutschen Bahn im weiteren Prozess unterstützt“. Der für Januar geplante Abbruch des Bahnhof-Südflügels und das Fällen vieler Bäume sind nach Einschätzung des Unternehmens von dem Urteil aber nicht betroffen.

BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß erklärte, der Verband sei „sehr glücklich darüber, dass der VGH dem Artenschutz die Bedeutung einräumt, die auch wir gesehen haben“. Der BUND werde nun Vorschläge zum Schutz der Tiere machen, darunter der Verzicht auf Bauarbeiten während der Brutzeit sowie unter Einsatz starken Lichts.

Der Verband sieht in dem Urteil im Gegensatz zur Bahn auch weiterreichende Folgen. Denn damit rückten auch für Anfang 2012 geplante Baumfällarbeiten in den Fokus, sagte Landeschefin Brigitte Dahlbender der Nachrichtenagentur dpa. Für die Rodung der Bäume müsse die Bahn ebenfalls nachweisen, dass sie Auflagen des Natur- und Artenschutzes beachte. „Wenn die Bahn diese Grundsätze nicht beachtet, drohen ihr weitere rechtliche Schritte“, warnte Dahlbender. (dpa)