Der Programmparteitag werde die “Gesellschaft verändern“, sagte Lötzsch. Der Kapitalismus sei nicht das Ende der Geschichte, kündigte sie an.

Erfurt. Mit Appellen zur Geschlossenheit und scharfer Kritik am Kapitalismus hat der Linke-Parteitag in Erfurt begonnen. Parteichefin Gesine Lötzsch forderte in ihrer Auftaktrede am Freitag einen radikalen Systemwechsel hin zu einem demokratischen Sozialismus. „Für die Linke ist der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte“, betonte sie. Die stellvertretende Linke-Chefin Sahra Wagenknecht rief die Delegierten zu einer möglichst geschlossenen Zustimmung zum Grundsatzprogramm auf, über das die Delegierten an diesem Sonnabend abstimmen wollen.

Lötzsch erwartet vom Erfurter Parteitag eine historische Zäsur für ihre Partei. „Wir haben uns hier in Erfurt zusammengefunden, um Geschichte zu schreiben.“ Als Motto für den Parteitag gab Lötzsch „Freiheit, Würde, Solidarität“ aus. Das Parteiprogramm sei eine „Kampfansage gegen das herrschende Establishment“. Die Linke wolle eine Welt, „in der nicht mehr das Geld regiert, sondern das Volk – je direkter, desto besser“, sagte Lötzsch. „Unser Erfurter Programm wird dieses Land verändern, da bin ich mir ganz sicher.“

Wagenknecht sagte, natürlich enthalte der vom Parteivorstand vorgelegte Programmentwurf in vielen Fragen Kompromisse. Aber: „Wir brauchen ein Programm, das uns eint und kein Programm, das uns spaltet.“ Sie appellierte an die Delegierten, in dem Entwurf formulierte Grundpositionen und Kompromisse nicht wieder infrage zu stellen. Die Linke positioniere sich in dem Entwurf als anti-neoliberale Partei, als „klare und kompromisslose Anti-Kriegspartei“ und als anti-kapitalistische Partei mit sozialistischen Zielen.

Mit ihrem ersten Grundsatzprogramm will sich die Linke nach langen Personalquerelen auch um das Führungsduo Lötzsch und Klaus Ernst auf Inhalte konzentrieren. Nach dem Parteitag haben die rund 70 000 Mitglieder in einer Urabstimmung das letzte Wort. Der Entwurf sieht einen Systemwechsel zum demokratischen Sozialismus, die Verstaatlichung von Banken und Energieunternehmen, ein Ende der Bundeswehreinsätze im Ausland und die Auflösung der Nato vor. Der erste Entwurf wurde im Frühjahr 2010 von den damaligen Vorsitzenden Oskar Lafontaine und Lothar Bisky vorgelegt. Mittlerweile wurde er an vielen Stellen nachgebessert.

Sowohl Lötzsch als auch Wagenknecht sehen die Linke als Teil der weltweiten „Occupy“-Bewegung, bei der Menschen gegen die Macht der Finanzmärkte protestieren. Lötzsch sagte: „Unsere Partei ist ein Teil einer großen solidarischen Bewegung, die sich nicht mehr länger von den Börsen der Welt und ihren Politikern in Washington, Paris, London und Berlin beherrschen lassen wollen.“ Und Wagenknecht erklärte, es sei richtig, dass in den USA gefordert werde „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street“). Es sei richtig, in Deutschland zu fordern occupy Deutsche Bank, occupy Allianz, occupy Commerzbank.

Die Parteichefin widersprach Einschätzungen, die Linke nehme Minderheitenpositionen ein. „Wir stehen da, wo die Mehrheit steht.“ So sei die Linke gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr und die Rente mit 67. Mit der bisherigen Diskussion über den Programmentwurf zeigte sich die Parteichefin zufrieden. Vorhersagen, der vor eineinhalb Jahren präsentierte Programmvorschlag werde die Partei spalten, seien nicht eingetreten. Stattdessen habe die bisherige Debatte die Linke zusammengeführt. Die Linke war 2007 aus der ostdeutschen PDS und der westdeutschen Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) hervorgegangen.