Der Eiserne Kanzler regiert auch heute in die Gesellschaft hinein. Was man zum 200. Geburtstag über Otto und den Bismarck-Clan wissen muss.

Berlin/Hamburg. Ein Hering trägt seinen Namen, etliche Städte rund um die Welt, ein Mineralwasser, ein legendäres Schlachtschiff. Seine Politik wirkt bis heute nach. Nicht nur im Negativen. Gesetzliche Krankenversicherung, Rente, Unfallversicherung – alles von ihm angestoßen. Aber Otto von Bismarck (1815 bis 1898) war vor allem eines: der Eiserne Kanzler. An diesem Mittwoch, 1. April, wird sein 200. Geburtstag gefeiert. Erst Graf, dann Fürst, schließlich Herzog: Die Titel, die ihm angeheftet wurden, machen nur in Ansätzen klar, welche Bedeutung er schon zu Lebzeiten hatte. In Schönhausen geboren, in Friedrichsruh bei Hamburg gestorben, ranken sich um Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen mit die größten Mythen, die die deutsche Geschichte zu vergeben hat. Sein Name wurde beschworen und missbraucht, im Kaiserreich, in der Nazi-Zeit, noch heute.

Gerade erst hat der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder sich auf Bismarck berufen. Mit seinem Bild wollte sich Schröder aber nicht fotografieren lassen. Das sei für ihn als Sozialdemokraten schwierig, sagte er dem „Spiegel“.

Schröder äußerte Gefallen an den Bedingungen der Politik zu Zeiten des Reichskanzlers Otto von Bismarck im 19. Jahrhundert. „Was brauchte Bismarck? Das Vertrauen des preußischen Königs und deutschen Kaisers. Das war’s. (...) Und bevor Sie mich fragen, ob mir Bismarcks Umstände, Politik zu machen, besser gefielen als jene, unter denen ich Politik machen musste, sage ich Ihnen gleich: Im Prinzip ja. Aber ich bin Demokrat genug, um zu wissen, dass das natürlich nicht geht.“

Der Super-Politiker Bismarck, der Könige und Kaiser zum Teil domestizierte, stieg zu einer Zeit auf, in der es ein Deutschland als Gesamtgebilde nicht gab. Das Land war in Königreiche und Fürstentümer aufgeteilt. Damals wollten immer mehr Menschen genau das ändern. Sie forderten einen gemeinsamen deutschen Staat. Sie wollten außerdem mitbestimmen.

Reichskanzler Otto von Bismarck
Reichskanzler Otto von Bismarck © dpa

Bismarck hielt treu zu seiner Heimat Preußen und zum König. Ihm ging es zuerst darum, Preußens Macht auszubauen. Doch später änderte er seine Meinung zu einem deutschen Staat. Er setzte durch, dass dieser Wunsch vieler Menschen wahr wurde: Im Jahr 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet. Danach war Bismarck für viele Menschen ein Held.

Der preußische König wurde Kaiser. Das Volk konnte Politiker wählen, die zumindest ein wenig mitreden durften. Das war damals ziemlich neu. Bismarck aber sicherte sich das Amt als Reichskanzler. Damit hatte er so viel Macht, dass er die Politik fast allein bestimmte.

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Bismarck legte sich mit der Kirche an und den aufkommenden Sozialdemokraten. Kritik konnte er nicht ertragen und ließ das Sozialistengesetz durchsetzen, wider die „gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“.

Schon als Bismarck ins Licht der Geschichte tritt, bricht er die Verfassung. Am 23. September 1862 ernennt der preußische König Wilhelm I. den bis dahin weitgehend unbekannten Diplomaten zum Ministerpräsidenten. Der Monarch streitet sich mit dem Landtag, der ihm Geld für die Reform und Vergrößerung des Heeres verweigert. Bismarck verspricht Wilhelm, die Reform durchzusetzen.

„Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut“, sagt er in seiner berühmten Rede vor der Budgetkommission des Landtags. Unmittelbar darauf zeigt Bismarck, wie wenig ihn Parlamente scheren. Er zieht den Haushaltsentwurf, der die Heeresreform enthält, zurück und regiert jahrelang verfassungswidrig ohne Bewilligung durch den Landtag.

Otto von Bismarck in Taten, Zitaten, zum Nachlesen


„Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden das ist der große Fehler von 1848 bis 1849 gewesen, sondern durch Eisen und Blut.“(Bismarck 1862 vor dem preußischen Abgeordnetenhaus)


„Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt.“(In einer Reichstagsrede 1888)


„Der Sozialismus wird uns noch viel Mühe machen.“(Bismarck in einem Interview 1890)


„Politik ist die Kunst des Möglichen.“(Bismarck zugeschriebenes Zitat)


„Revolutionen machen in Preußen nur die Könige.“(Bismarck gegenüber Napoleon III.)


In Bismarcks Ära fallen große Erfolge, wegweisende Entscheidungen, Kriege und Krisen – und Reformen, die bis heute nachwirken.


Reichseinigung: Unter Führung Preußens schmiedete Bismarck den deutschen Nationalstaat - in einer „kleindeutschen Lösung“, ohne Österreich. Nach Siegen in den Kriegen gegen Dänemark (1864), im Deutschen Krieg gegen Österreich und seine Verbündeten (1866) sowie im deutsch-französischen Krieg (1870/71) wurde König Wilhelm I. am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles zum Kaiser proklamiert.


Bündnisse: Bismarcks Hauptziel war es, den „Erbfeind“ Frankreich zu isolieren. Das deutsch-französische Verhältnis wurde durch Reparationszahlungen und die Annexion Elsass-Lothringens auf Dauer schwer belastet. Dieser harte Frieden war „einer der größten Fehler“ Bismarcks, sagt der Historiker Carsten Kretschmann. Als „ehrlicher Makler“ verhinderte Bismarck 1878 auf dem Berliner Kongress einen möglichen neuen Krieg in Europa. Nach seinem Sturz 1890 zerfiel Bismarcks System.


Kulturkampf: Der Begriff „Kulturkampf“ wurde 1873 von dem Liberalen Rudolf Virchow (1821-1902) geprägt. In einer Rede im preußischen Abgeordnetenhaus bezeichnete Virchow damit den Streit über das Verhältnis von Kirche und Staat. In dem Konflikt zwischen der Regierung und der römisch-katholischen Kirche ging es vor allem um Einflussnahme im Bildungswesen und in der Ehegesetzgebung. Bismarck versuchte, mit verschiedenen Gesetzen die Macht der Kirche zu brechen.


Kampf gegen die Sozialdemokratie: Um die zunehmende sozialdemokratische Wählerschaft zu dezimieren, kämpfte Bismarck mit allen Mitteln gegen die Arbeiterbewegung. Auf seine Veranlassung hin kam es 1878 zum Sozialistengesetz. Es war de facto ein Parteiverbot. 1890 wollte der neue, junge Kaiser Wilhelm II. das nicht mehr mittragen und entließ Bismarck.


Sozialgesetzgebung: Infolge der Industrialisierung lebten breite Arbeitermassen im Elend. Die meisten Arbeiter waren bei Krankheit oder im Alter auf Almosen der Gemeinden angewiesen. Bismarck wollte der immer bedrohlicheren sozialen Frage begegnen und eine weitere Radikalisierung der Arbeiter stoppen. Eingeführt wurden die Kranken- und Unfallversicherung, später auch der Grundstein der Rentenversicherung, das „Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz“.


Museen: Es gibt heute zwei Bismarck-Museen, eines in Schönhausen in Sachsen-Anhalt, wo Bismarck am 1. April im Jahr 1815 geboren wurde. Das andere ist in Friedrichsruh in der Nähe von Hamburg. In Friedrichsruh sind viele Dinge ausgestellt, zum Beispiel ein besonderer Brief. Darin bat Bismarck den Vater seiner zukünftigen Frau um die Erlaubnis, sie heiraten dürfen: „Es ist eine Bitte um das Höchste, was Sie auf dieser Welt zu vergeben haben, um die Hand Ihrer Fräulein Tochter.“


Bücher: Norbert F. Pötzl: Bismarck: ein Preuße und sein Jahrhundert (Beck); Christoph Nonn: Bismarck Größe - Grenzen - Leistungen“ (Klett-Cotta); Hans-Christof Kraus: Bismarck: Der Monolith (Osburg); Tilman Mayer u.a.: Reflexionen am Beginn des 21. Jahrhunderts (Propyläen)

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Otto von Bismarck wird am 1. April 1815 als vierter Sohn eines Junkers, eines Großgrundbesitzers, in Schönhausen an der Elbe im heutigen Sachsen-Anhalt geboren. In diesen Kreisen hält man wenig von Mitbestimmungsrechten, weder auf dem eigenen Gut noch in der Politik. Umso treuer ist man dem Monarchen. Bismarck wird preußischer Diplomat in Frankfurt, St. Petersburg und Paris.

Für einen Diplomaten hat er einen bemerkenswert undiplomatischen Charakter: Er duldet keinen Widerspruch, fasst ihn gar als Untreue auf. Kränkungen vergisst er nie. Friedrich von Holstein, ein hoher Beamter im Außenministerium, bewundert ihn zunächst, schreibt aber später: „Für Bismarck war es ein psychologisches Bedürfnis, seine Macht dadurch fühlbar zu machen, dass er quälte, ängstigte, misshandelte.“

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Der Bismarck-Biograf Jonathan Steinberg berichtet von einem „ungezügelten Wutausbruch“, den ein Diener auslöst, als er Bismarck einen Stuhl nicht schnell genug zurechtrückt. Selbst Wilhelm I. seufzt, es sei „schwer, unter Bismarck Kaiser zu sein.“

Der Staatsmann habe „Rücktrittsdramen aufgeführt“, schreibt Steinberg. Mehrfach setzt Bismarck Wilhelm unter Druck, indem er seinen Rücktritt einreicht - wohl wissend, dass der Monarch keinesfalls auf seine Dienste verzichten will. Denn vor allem Bismarcks Außenpolitik ist überaus erfolgreich.

In drei Kriegen besiegt er Dänen, Österreicher und Franzosen und schweißt die bis dahin selbstständigen deutschen Fürstentümer zu einem Nationalstaat zusammen. Wilhelm I. wird 1871 der erste deutsche Kaiser, Bismarck sein Reichskanzler. Der Junker aus Schönhausen ist auf dem Höhepunkt seiner Popularität.

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Nach der deutschen Einigung bleibt die Politik Bismarcks so forsch wie zuvor, ist aber weniger erfolgreich. Im Inneren bekommt er es zunächst mit den Katholiken und ihrem parlamentarischen Arm, der Zentrumspartei, zu tun. Bismarck argwöhnt, dass die Katholiken einen Staat im Staate bilden wollten, wie er in einer Rede 1873 sagt - vor allem, nachdem der Heilige Stuhl 1870 seine eigene Unfehlbarkeit verkündet hatte.

Im sogenannten Kulturkampf geht der deutsche Staat gegen die Macht der katholischen Kirche vor. Er verbietet die Jesuiten, übernimmt die Kontrolle über konfessionelle Schulen, führt die Zivilehe ein. Er droht Pfarrern mit Konsequenzen, die von der Kanzel herab politisch predigen. Aber die Schüsse gegen die katholische Kirche gehen nach hinten los. Das Zentrum legt bei Wahlen zu, Pfarrer haben den Nimbus von Verfolgten.

Mit seiner Frau Johanna hatte Bismarck drei Kinder: Marie, Herbert und Wilhelm. „Diese Familie war für Bismarck sehr wichtig“, sagt der Experte Ulrich Lappenküper. Vor allem seine Frau unterstützte ihn sehr. Aber sie und die Kinder hatten es nicht immer leicht.

Als sein Sohn Herbert eine Frau heiraten wollte, die Bismarck nicht passte, setzte er den Sohn unter Druck. Bismarck drohte, sich umzubringen. Da verzichtete Herbert auf die Hochzeit. Auch sonst richtete sich in der Familie fast alles nach dem Willen des Vaters. Vor rund 150 Jahren war so etwas aber nicht ungewöhnlich.

Bei Festen oder Treffen mit Freunden stand Bismarck gern im Mittelpunkt. Er soll sehr witzig erzählt haben. Die Leute hörten ihm gern zu. Er war charmant und schäkerte oft mit Frauen.

Außerdem liebte Bismarck gutes Essen. Schon zum Frühstück gab es häufiger Fleisch und Pudding, zum Mittagessen wieder sechs Gänge. Eine Weile aß Bismarck so extrem viel, dass er richtig dick wurde. Erst später speckte er wieder ab.

Gregor Graf von Bismarck, Urahn
Gregor Graf von Bismarck, Urahn © dpa

Im Jahr 1888 kommt Kaiser Wilhelm II. auf den Thron, der Kanzler versteht sich schlecht mit ihm. Nun weigert er sich aber, zurückzutreten. Der neue Kaiser schickt daher am 18. März 1890 Leo von Caprivi ins Kanzleramt, am selben Tag reicht Bismarck dann doch seinen Rücktritt ein.

Otto von Bismarck zieht in sein Schloss Friedrichsruh bei Hamburg, meldet sich aber immer wieder in der Presse zu Wort, kritisiert vor allem Caprivi. Ab 1896 wird seine Gesundheit schlechter. Am 30. Juli 1898, kurz vor Mitternacht, stirbt der Eiserne Kanzler im Alter von 83 Jahren in Friedrichsruh. Wilhelm II. will ein Staatsbegräbnis, aber Bismarck hat das in seinem Testament abgelehnt. Auf seinen Grabstein lässt er schreiben: „Ein treuer deutscher Diener des Kaisers Wilhelm I.“