Abschied unter Tränen. Christian von Boetticher legt Landesvorsitz und Spitzenkandidatur in Schleswig-Holstein nieder. “Es war schlichtweg Liebe“

Hamburg/Kiel. Nach einer neuen Polit-Affäre in Schleswig-Holstein steht die CDU knapp neun Monate vor der Landtagswahl am 6. Mai ohne Spitzenkandidaten da. Der Partei- und Fraktionschef Christian von Boetticher kündigte nach einer Krisensitzung gestern am späten Abend seinen Rückzug vom Parteivorsitz und der Kandidatur an. Er will aber Fraktionschef der Christdemokraten im Landtag bleiben.

Der 40-jährige Jurist zog damit die Konsequenz aus einer Liebesbeziehung mit einem 16 Jahre alten Mädchen. "Ja, es ist wahr. Ich hatte mich im Frühjahr 2010 in eine junge Frau verliebt und bin mit ihr mehrere Monate zusammen gewesen. Es war schlichtweg Liebe", sagte von Boetticher im Anschluss an eine Krisensitzung der Parteispitze in Kiel. Er sprach von einer "ungewöhnlichen Liebe", die auch vom "Umfeld" akzeptiert worden sei. Immer wieder unterbrach von Boetticher seine Rede auf der Pressekonferenz, hielt inne. Als er den Rücktritt als Spitzenkandidat für die Landtagswahl bekannt gab, kamen ihm die Tränen, seine Stimme brach.

Er räumte ein, dass eine solche Beziehung, obwohl sie rechtlich legal sei, bei vielen Menschen auf moralische Vorbehalte stoße. Er habe keinen privaten, wohl aber den politischen Fehler gemacht, die Bedeutung einer solchen Beziehung für eine Spitzenkandidatur nicht bedacht zu haben. "Dafür möchte ich mich entschuldigen."

Gerüchte über die ungewöhnliche Liaison des damals unverheirateten von Boetticher hatten in den vergangenen Tagen immer weitere Kreise gezogen. In der Partei machten sich Unruhe und Unverständnis breit, am Wochenende baute sich wachsender Rücktrittsdruck auf von Boetticher auf. Das Krisenmanagement lief auf Hochtouren, gestern Abend um 18 Uhr trat der geschäftsführende Landesvorstand zusammen. Gut drei Stunden später erklärte von Boetticher seinen Rückzug.

Seit Übernahme des Landesvorsitzes im September 2010 sei er immer wieder mit Spekulationen über sein Privatleben konfrontiert worden, sagte von Boetticher. "Da gab es mehrere Journalisten, die sicher zu wissen glaubten, dass ich schwul sei, und ein Outing erwarteten."

Der Landesvorstand nahm die Entscheidung in einer Erklärung "mit Respekt zur Kenntnis". Über die weiteren Schritte werde der erweiterte Landesvorstand morgen entscheiden. Als ein möglicher Nachfolger als Spitzenkandidat gilt Wirtschaftsminister Jost de Jager. Der 46-Jährige genießt großes Ansehen über Parteigrenzen hinaus.

Christian von Boetticher war für viele in der Partei der neue Hoffnungsträger der CDU in Schleswig-Holstein. Für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) ist die Affäre auch ein persönlicher Rückschlag. Er hatte von Boetticher zu seinem Kronprinzen gemacht. An der Krisensitzung gestern Abend in der Landesgeschäftsstelle nahm der Regierungschef nicht teil. Aus seinem Umfeld hieß es, Carstensen sei tief enttäuscht und habe von Boetticher den Rücktritt nahegelegt.

Dass von Boetticher nicht auch sein Landtagsmandat niederlegt, ist für die Landesregierung von großer Bedeutung. Denn die schwarz-gelbe Koalition verfügt im Kieler Landtag nur über eine Ein-Stimmen-Mehrheit. Und nach einem Urteil des Landesverfassungsgerichts ist ungewiss, ob die CDU im Fall des Ausscheidens eines ihrer Abgeordneten das Mandat einbüßen würde.