Wieder demonstrierten Zehntausende in Deutschland gegen Stuttgart 21. Unionspolitiker halten trotz aller Proteste an dem Bahnhofsprojekt fest.

Berlin. Die Eskalation bei den Protesten gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 versetzt nun auch das politische Berlin in Unruhe. "Niemand versteht, wenn Sondereinsatzkommandos mit Schlagstöcken auf Jugendliche und Rentner losgehen", erklärte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Freitag in Berlin. Er bekräftigte die Forderung nach einem Volksentscheid über das Bauvorhaben . Der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann, der nach eigenen Angaben während der Proteste vor Ort war, erklärte, das Vorgehen der Polizei sei "an Brutalität und Rücksichtslosigkeit nicht zu überbieten".

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wies die Kritik der Grünen zurück und rief die grüne Parteiführung auf, "die Situation in Stuttgart nicht weiter aufzuheizen". Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder verteidigte das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21. "Es ist ein Projekt, das für die Zukunft Baden-Württembergs wichtig ist", sagte der CDU-Politiker dem Hamburger Abendblatt. "Wir müssen erreichen, dass unsere Gesellschaft dynamisch bleibt. Wir dürfen uns der Zukunft nicht verweigern. In diesem Zusammenhang ist Stuttgart 21 von großer Bedeutung."

Am Donnerstag war die Polizei in Stuttgart mit Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen viele zum Teil noch junge Demonstranten eingeschritten, die sich gegen das Fällen mehrerer alter Bäume gewehrt hatten.

+++ 100 Hamburger gegen Polizeigewalt bei Stuttgart 21 +++

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wies Vorwürfe zurück, die Beamten seien zu hart gegen die Protestierenden vorgegangen. Vielmehr sei den Polizisten von Anfang an ein hohes Aggressionspotenzial entgegengeschlagen, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg. Vor dem Polizeieinsatz gegen die unangemeldete Demonstration waren mehrere Vermittlungsversuche gescheitert. Der Vermittler zwischen Gegnern und Befürwortern von Stuttgart 21, der Stadtdekan Michael Brock, widersprach aber Berichten von aggressiven Demonstranten. Die überwiegende Zahl der Demonstranten habe sich friedlich verhalten, sagte Brock. Es habe sich vielmehr um eine "Machtdemonstration der Polizei" gehandelt.

Offen ist, wie sich die Konfrontation auf die baden-württembergischen Landtagswahlen und auf die Bundesregierung auswirken wird.

Fraktionschef Kauder zeigte sich zuversichtlich, dass die CDU bei den Wahlen erfolgreich sein werde. "Die Wahlen sind erst am 27. März", sagte er. "Wenn wir die Bedeutung des Bahnprojekts Stuttgart 21 endlich gut erklären, wird sich die Lage verbessern. Dafür müssen wir die nächsten Monate nutzen."

Der innen- und rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hartfrid Wolff, sagte dem Abendblatt: "Ich sehe nur indirekt einen Zusammenhang zwischen der Eskalation gestern und dem Ausgang der Landtagswahlen im März." Auch er befürwortet bessere Aufklärung über das Bauvorhaben.

Der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse sagte dem Abendblatt, nachdem sich die Landesregierung jahrelang für das Projekt eingesetzt habe, könne und dürfe Mappus nicht umschwenken. Das Thema müsse aber Schwarz-Gelb nicht unbedingt schaden: "Ich glaube, dass der Streit um Stuttgart 21 der Koalition dabei helfen kann, ihre Stammwähler zu mobilisieren", sagte Jesse. Käme es aber doch zu einem Machtwechsel, blieben die Folgen auf Baden-Württemberg begrenzt. "Ich halte es für "unwahrscheinlich, dass es Konsequenzen in Berlin geben wird, falls CDU und FDP bei den Landtagswahlen verlieren sollten", sagte Jesse. In diesem Fall rechne ich auch mit keiner Koalitionskrise."

+++ Zum vollständigen Interview mit Eckhard Jesse +++