Sie waren angetreten als die Partei für Bürgerentlastung. Die Steuerpläne der FDP sind jedoch zerbröselt. Eine Chronolgie von Wollen und Werden.

Hamburg/Berlin. Mai 2009: Die FDP beschließt ihr Wahlprogramm für die anstehende Bundestagswahl: Bei den Steuern setzen die Liberalen im Wesentlichen auf deutliche Steuersenkungen und entwerfen ein dreistufiges Modell: Der Eingangssteuersatz soll von 14 auf 10 Prozent gesenkt werden und ab einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro gelten. Bis zu einem Einkommen von 50.000 Euro sollen 25 Prozent fällig sein. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll auf 35 Prozent gesenkt werden und ab einem Einkommen ab 50.000 Euro greifen. Das soll die Bürger um geschätzte 35 Milliarden Euro entlasten.

Zur Finanzierung dieses Programms ist unter anderem im Gespräch, die indirekten Steuern und insbesondere die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Schleswig-Holsteins Landeschef Wolfgang Kubicki im Spätsommer: „Im Rahmen einer umfassenden Steuerreform kann es auch sein, dass Steuern steigen. Beispielsweise muss man sich unterhalten, was machen wir mit der Mehrwertsteuer im Rahmen einer umfassenden Steuerreform?“ Allerdings: Im Wahlprogramm steht davon nichts. Kubicki wird von Bundespolitikern zurückgepfiffen.

September 2009: Die FDP verabschiedet ihren Wahlaufruf: Hier heißt es, die FDP wolle „eine große Steuerstrukturreform mit fairen Steuersätzen für alle“ – und die Partei werde bei einem Wahlsieg „sofort damit beginnen“.

Oktober 2009: Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP laufen: Knackpunkt sind immer wieder die geforderten Steuersenkungen, denen Unionspolitiker wiederholt eine öffentliche Absage erteilen. Wegen der desolaten Haushaltslage rechnen Experten zunehmend sogar mit Steuererhöhungen. FDP-Chef Guido Westerwelle ist sich am 15. Oktober jedoch sicher: „Es bleibt bei unserem Programm für faire Steuern und Entlastungen für Familien.“

26. Oktober 2009: Der Koalitionsvertrag steht: Tatsächlich soll es zu steuerlichen Entlastungen der Bürger kommen – aber in einem deutlich geringeren Umfang als von der FDP geplant.

Anfang 2010 greifen Steuerentlastungen von jährlich rund 14 Milliarden Euro, die bereits die Große Koalition beschlossen hat. Zusammen mit den ersten schwarz-gelben Steuersenkungen sind es im ersten Regierungsjahr rund 21 Milliarden Euro, um die die Steuerzahler entlastet werden. Bis zum Jahr 2013 sollen die Entlastungen auf ein Gesamtvolumen von bis zu 24 Milliarden Euro im Jahr angewachsen sein. „Möglichst“ zum 1. Januar 2011 soll ein neues Tarifstufensystem bei der Einkommenssteuer in Kraft treten. Zahl und Verlauf sind jedoch offen.

Für viele ein Ärgernis: Von 2010 an soll für Beherbergungen im Hotel- und Gaststättengewerbe der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gelten. Mit dem Steuergeschenk sollen grenznahe Hotels im Wettbewerb mit ausländischen Herbergen gestärkt werden.

23. Dezember 2009: Diskutiert wird eine Abgabenerhöhung, zum Beispiel in der Arbeitslosenversicherung: FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel: „Steuererhöhungen sind mit der FDP nicht zu machen. Im kommenden Jahr leiten wir eine Steuerstrukturreform ein, wie wir das im Koalitionsvertrag festgelegt haben. Der Stufentarif kommt, und zwar in dieser Wahlperiode. Ob es am Ende drei, vier oder fünf Stufen sein werden, ist dabei nicht entscheidend“

Frühjahr 2010: Die schwarz-gelbe Koalition ringt mit der Steuerreform: Streit und Stillstand bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten fordern eine Abkehr von den Steuersenkungen – dem Hauptprojekt des Regierungspartners. Hessens Ministerpräsident Roland Koch erteilt den Steuersenkungen sogar für die gesamte Legislaturperiode eine Absage.

April 2010: Die FDP stellt ein neues Steuerkonzept vor: Statt drei gibt es fünf Tarifstufen. Der Eingangssteuersatz verbleibt bei 14 Prozent. Danach folgen Etappen mit 25, 35 und 42 Prozent. Auch die sogenannte „Reichensteuer“ von 45 Prozent bleibt. Die geschätzten Entlastungen belaufen sich auf 16 Milliarden Euro.

Mai 2010: Streit um die Steuersenkungen für Hoteliers: Wegen des großen Sparzwangs denken führende FDP-Politiker darüber nach, die erst zum Jahresbeginn eingeführte Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen wieder rückgängig zu machen.

Juni 2010: Die FDP knickt ein: Nachdem die Bundesregierung das große Sparpaket zur Haushaltskonsolidierung verabschiedet hat, sind Steuersenkungen zunächst unmöglich. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem eine klare Absage erteilt. Zudem sprechen sich nach wie vor Unionspolitiker für Steuererhöhungen aus. Aber auch Mitglieder der Liberalen: „Was spricht dagegen, den Spitzensteuersatz von 45 auf 47,5 Prozent anzuheben? Davon wäre ich übrigens selbst betroffen“, sagte beispielsweise Schleswig-Holsteins Landeschef Kubicki dem Hamburger Abendblatt. „Sollten wir keine grundlegende Steuerreform bekommen, muss mindestens dieses Problem angegangen werden.“