“Bei der politisch links motivierten Gewalt ragen Hamburg und Berlin in negativer Weise heraus“, sagt Thomas de Maizière.

Hamburg. Hamburger Abendblatt: Herr Minister, graut Ihnen schon vor dem 1. Mai?

Thomas de Maizière: Grauen ist zu viel gesagt, aber ich bin schon besorgt. Es ist sehr unerfreulich, wenn Gewalttouristen zu bestimmten Terminen nach Berlin, Hamburg oder Dresden fahren, um etwas zu „erleben“. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass es Randale mit Ansage gibt.

Worauf müssen sich die Bürger gerade in Hamburg einstellen?

Es gibt Anmeldungen zu einer so genannten revolutionären 1.-Mai-Demonstration, die neben Berlin die größte Veranstaltung des linken Lagers werden soll. Dazu kommt, dass in Hamburg die gewaltbereite autonome Szene größer ist als in vielen anderen Städten. Die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern werden sich sehr gut auf diesen 1. Mai vorbereiten. Aber auch die Gesellschaft ist gefordert.

Inwiefern?

Ich appelliere an alle Bürger, keinen zusätzlichen Anlass zu bieten, der Polizeikräfte bindet. Rechtsextremisten, die demonstrieren, kann man mal auch durch Nichtachtung besonders strafen. Und es darf auch nicht sein, dass Gaffer die Arbeit von Polizei und Rettungskräften behindern.

Sie haben selbst einmal in Hamburg gelebt. Wie konnte sich in einer Stadt, die auf bürgerliche Tugenden besonderen Wert legt, unbürgerliches Verhalten so breit machen?

Bei der politisch links motivierten Gewalt ragen Hamburg und Berlin in negativer Weise heraus. Eine Erklärung könnte sein, dass es dort mehr als anderswo das Erbe eines Linksextremismus und vielleicht auch einer geistigen Rechtfertigung gibt, dass Gewalt gegen bestimmte Sachen oder Personen nicht ganz so schlimm sei. Jedenfalls ist es eine Aufgabe der bürgerlichen Gesellschaft, solchen Tendenzen entschlossen entgegenzutreten.

Auf welche Weise?

Es sollte selbstverständlich sein, dass Organisatoren von Gewaltdemonstrationen keine Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird – weder an Hochschulen noch anderswo. Ich wünsche mir, dass sich die Gesellschaft stärker von linker Gewalt distanziert. In Deutschland gibt es eine gute Tradition der öffentlichen Brandmarkung von Rechtsextremismus. Das erwarte ich jetzt auch, wenn Gewalt aus der linken Szene kommt – in Hamburg wie in anderen Städten.

Brennende Autos in Wohngebieten, brutale Angriffe auf Polizisten – gerät die Gewalt außer Kontrolle?

Nein. Wir haben im vergangenen Jahr bei gleichbleibend zu hohem Niveau von rechts einen erheblichen Anstieg der politisch links motivierten Kriminalität erfahren. Besorgniserregend ist vor allem die Entwicklung bei den Körperverletzungsdelikten...

... die sich wie gestaltet?

Wir haben 2009 erstmals mehr links als rechts motivierte Körperverletzungen gezählt. Die Opfer sind zu 60 Prozent Polizeikräfte und zu 40 Prozent Angehörige der rechtsextremen Szene. Eine Körperverletzung zulasten von Polizisten, die ja den demokratischen Rechtsstaat verkörpern und im Auftrag von Freiheit und Sicherheit für alle Dienst tun, finde ich besonders empörend. Polizisten verdienen einen besseren Schutz.

Ist die Gefahr von links größer als die Gefahr von rechts?

Ich halte nichts davon, das gegeneinander aufzurechnen. Das Niveau der Gewalttaten von rechts war 2009 unverändert hoch. Das Gewaltpotential, das politisch motiviert von links wieder neu entstanden ist, haben wir unterschätzt. Das wird sich ändern.

Wie lange wird die Linkspartei eigentlich noch vom Verfassungsschutz beobachtet?

Nicht die Linkspartei wird vom Verfassungsschutz beobachtet, sondern es werden Teile dieser Partei vom Verfassungsschutz des Bundes und einigen Landesverfassungsschutzbehörden beobachtet. Grund sind tatsächliche Anhaltspunkte, dass in Teilen der Linken verfassungsfeindliche Ziele verfolgt werden. Solange es diese Anhaltspunkte gibt, wird die Beobachtung fortgesetzt. Das ist der gesetzliche Auftrag.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Uhl, behauptet, die linksextremistische Gewaltbereitschaft reiche „bis in die Linkspartei hinein“. Können Sie das bestätigen?

Wir sehen, dass bei der Vorbereitung von Veranstaltungen, die mit Ansage zu Gewalt führen, zum Teil auch die Infrastruktur der Linkspartei genutzt wird.