Nicht einmal jeder fünfte Langzeitarbeitslose hat in den vergangenen Jahren eine neue Stelle gefunden. Nahles legt neues Programm auf

Berlin. Auf dem Arbeitsmarkt sieht es gut aus, die Zahlen der Erwerbstätigen steigen – doch eine Gruppe hat nichts von dem positiven Trend. Laut einer neuen Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) haben sich die Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitslose in den vergangenen Jahren sogar verschlechtert. 2013, im Jahr mit den aktuellsten Daten, haben nur 14,3 Prozent der langzeitarbeitslosen Hartz-IV-Empfänger einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden oder sich selbstständig machen können. Das hat DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy ausgerechnet. 2011 waren es immerhin noch 20 Prozent.

„2013 ist die Langzeitarbeitslosigkeit im Hartz-IV-System wieder leicht angestiegen. Die Beschäftigungschancen haben sich weiter verschlechtert und die Chancen auf stabile Eingliederung weiter abgenommen“, sagt Adamy. „Das ist eine erschütternd schlechte Bilanz. Die Erfolge des Hartz-IV-Systems bei der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen sind äußerst bescheiden und bleiben weit hinter den Erwartungen zurück.“

Als die Hartz-IV-Reform vor zehn Jahren umgesetzt wurde, war es auch ein zentrales Versprechen, allen dabei zu helfen, eine Arbeit zu finden, vor allem den Langzeitarbeitslosen. Man wollte fordern, aber eben auch fördern. Als langzeitarbeitslos wird in der Statistik geführt, wer länger als ein Jahr keine Arbeit gefunden hat. Die meisten dieser Betroffenen werden im Hartz-IV-System betreut. 88 Prozent der Langzeitarbeitslosen, 950.000 Personen, befanden sich 2013 in der Grundsicherung. Normalerweise rutscht man nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in das Hartz-IV-System. 130.000 Langzeitarbeitslose werden dennoch durch die Arbeitslosenversicherung betreut, weil sie entweder keine Leistungen in Anspruch nehmen können beziehungsweise wollen oder als ältere Arbeitslose dort betreut werden.

Die Studie des DGB zeigt, dass 2013 von rund zwei Millionen arbeitslos gemeldeten Hartz-IV-Empfängern bundesweit insgesamt 700.000 Arbeitslose aus dem Hartz-IV-System ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt beenden konnten. Darunter waren aber nur 132.000 langzeitarbeitslose Hartz-IV-Empfänger. Diese Vermittlungen werden oft noch über Lohnkostenzuschüsse gefördert, schreibt Arbeitsmarktforscher Adamy. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Integrationen bleibe „deutlich hinter jenem an Arbeitslosen zurück“.

Weil die wenigsten diese Jobs aber langfristig behalten, sieht Adamy „große Instabilität“ bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt von Langzeitarbeitslosen. Von den 132.000 Langzeitarbeitslosen, die 2013 eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufgenommen oder sich selbstständig machen konnten, waren nur 52 Prozent einen Monat beziehungsweise auch ein halbes Jahr später noch in Arbeit. Diese stabileren Beschäftigungsverhältnisse sind in den vergangenen Jahren zudem instabiler geworden. Die Eingliederungen, bei denen die Langzeitarbeitslosen einen und auch sechs Monate später noch in Beschäftigung waren, haben sich verringert. 2011 profitierten noch 11,7 Prozent der langzeitarbeitslosen Hartz-IV-Empfänger von einer solch längerfristigen Vermittlung, 2013 sank der Wert auf nur 7,5 Prozent.

Insgesamt ist der deutsche Arbeitsmarkt in guter Verfassung. Zwar sind die Zahlen gerade wieder über die Drei-Millionen-Marke geklettert, doch das ist im Winter normal. Saisonbereinigt sind die Zahlen weiter gesunken.

Doch an den Langzeitarbeitslosen geht die Entwicklung weitestgehend vorbei. Ihre absolute Zahl stagniert, während die der Kurzzeitarbeitslosen sinkt. Insgesamt suchten im August 2014 ganze 1,077 Millionen arbeitslos gemeldete Menschen seit einem Jahr oder länger einen Job, gut 7300 mehr als ein Jahr zuvor. Dies entspricht laut der Studie einem Anteil von 37,1 Prozent aller Arbeitslosen. Das liegt auch daran, dass viele der Langzeitarbeitslosen keine Ausbildung oder andere Vermittlungshürden haben wie etwa Suchtprobleme oder Krankheiten. Je länger man arbeitslos ist, desto schwieriger wird es, wieder Arbeit zu finden. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat deshalb die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zu einem ihrer zentralen Themen gemacht. Mithilfe von Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds sollen Menschen, die mindestens zwei Jahre lang arbeitslos waren, wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden, und zwar in die Privatwirtschaft. „Betriebsakquisiteure“ der Jobcenter sollen ausschwärmen, um private Arbeitgeber zu überzeugen, Langzeitarbeitslose einzustellen.

In den ersten sechs Monaten bekommen die Arbeitgeber einen Lohnkostenzuschuss von 75 Prozent, der dann stufenweise nach 18 Monaten auf null sinkt. Danach müssen die Unternehmen die geförderten Arbeitnehmer sechs Monate lang weiterbeschäftigen und allein bezahlen. Die Arbeitslosen werden intensiv von Coaches betreut. Arbeitslose, die bereits seit fünf Jahren nicht mehr gearbeitet haben, sollen noch großzügiger gefördert und intensiver betreut werden. Allerdings sollen die Mittel nur für 33.000 Arbeitslose bereitgestellt werden.

Bei einer Zahl von einer Million Langzeitarbeitslosen ist das allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Ein weiteres Programm richtet sich an 10.000 Personen, zudem soll es neue Ansprechpartner für Langzeitarbeitslose in den Jobcentern geben. Dem DGB gehen die Pläne nicht weit genug. Der Gewerkschaftsbund wünscht sich mehr Mittel für eine bessere Qualität der Betreuung, Weiterbildung und auch Sprachkurse für Arbeitslose mit Migrationshintergrund. Auch pochen die Gewerkschaften auf den Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung.