Deutschlandweit gab es 2013 mehr als 30 Millionen Fehltage. Regionale Unterschiede

Berlin. Die größte Niedergeschlagenheit herrscht in Callcentern. Im Jahr 2013 waren 3,6 Prozent der Mitarbeiter im Dialogmarketing für einige Zeit wegen Depressionen krankgeschrieben. Zwar scheinen 3,6 Prozent erst einmal nicht viel zu sein. Doch was das für diesen am stärksten betroffenen Beruf bedeutet, zeigt sich daran, dass 2013 dort pro Mitarbeiter im statistischen Mittel 2,77 Fehltage durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgrund von Depressionen zusammenkamen. Hatte also ein Unternehmen in dieser Branche 100 Mitarbeiter, war es mit 277 Fehltagen konfrontiert.

Ähnlich in der Altenpflege, die auf Platz zwei der Depressionsliste steht. In der ambulanten und stationären Altenpflege sorgten 3,2 Prozent Betroffene dafür, dass unter 100 Beschäftigten dieses Berufs 247 Fehltage entstanden. Auch der Wachschutz scheint depressionsanfällig zu sein (2,3 Prozent Betroffene mit 143 Fehltagen pro 100 Beschäftigte) sowie die Kinderbetreuung, wo 2,7 Prozent depressiv Erkrankte 162 Fehltage bei 100 Mitarbeitern verursachten.

Bemerkenswerterweise sind diese Kinderbetreuer deutlich stärker betroffen als Lehrer. Von denen waren 2013 nur 1,1 Prozent zeitweise wegen Depressionen krankgeschrieben. Damit widerlegt der neue Depressionsatlas der Techniker Krankenkasse (TK), der am Mittwoch veröffentlicht wurde, ein verbreitetes Vorurteil. Laut Klischee soll die Depression ja eine Krankheit vor allem von Lehrern und anderen angeblich überempfindlichen Gebildeten sein. Aber tatsächlich ist es genau umgekehrt. Je niedriger der Bildungsabschluss, umso höher die Fallzahlen. Bei Personen ohne beruflichen Ausbildungsabschluss waren zwei Prozent der TK-Versicherten 2013 zwischenzeitlich wegen Depressionen krankgeschrieben, während es bei Absolventen einer Berufsausbildung nur noch 1,7 Prozent waren. Der Anteil der Betroffenen sinkt dann kontinuierlich weiter, je höher der akademische Grad wird. Am seltensten ist die Niedergeschlagenheit bei Promovierten, wo nur 0,67 Prozent betroffen waren.

Die Fehlzeiten haben jedoch auch so schon enorme Dimensionen. Zwar waren im Gesamtdurchschnitt 2013 nur 1,6 Prozent der TK-Versicherten wegen Depressionen krankgeschrieben. Doch die Dauer der Krankschreibungen ist bei diesen seelischen Erkrankungen sehr hoch. Je nach Schweregrad liegt sie zwischen 33 und bis zu 114 Tagen je Fall. Wenn man dann die Ausgaben der Unternehmen beziehungsweise der Versicherungen für krankgeschriebene Beschäftigte in Rechnung stellt, ergeben sich „für 2013 Produktionsausfallkosten aufgrund von Depressionen in Höhe von rund vier Milliarden Euro“.

In der Studie nicht detailliert ausgewertet ist das sogenannte Burn-out, das fachärztlich nicht genau definiert ist. Hierzu bietet die Studie nur eine globale Zahl, deren geringe Größe all diejenigen überraschen dürfte, die sich bei ihrer Sicht auf Krankheiten lediglich von öffentlichen Aufregungen leiten lassen. Nur bei 0,27 Prozent der TK-Versicherten gab es 2013 Krankschreibungen wegen Burn-outs. Die durchschnittlichen Fehlzeiten beliefen sich hier auf lediglich zehn Tage pro 100 Versicherte.

Nach wie vor groß sind die regionalen Unterschiede in Deutschland. Den größten Anteil von Fehlzeiten gibt es in Hamburg (1,42 Tage pro Versicherten) sowie Schleswig-Holstein (1,26 Tage) und Berlin (1,25 Tage), während es in Baden-Württemberg und Bayern sowie in allen ostdeutschen Flächenländern deutlich weniger Krankschreibungen gab. Allerdings haben sich die Unterschiede zwischen den Bundesländern, innerhalb derer es große regionale Abweichungen gibt, seit 2000 deutlich abgeschwächt.

Stark gestiegen hingegen ist die Verordnung von Medikamenten gegen Depressionen. Dies betrifft zum einen die Betroffenen. Der Anteil der Menschen – ob krankgeschrieben oder nicht –, denen Antidepressiva verschrieben wurden, stieg in der Zeit zwischen 2000 und 2013 von 4,1 auf sechs Prozent. Damit erhielt 2013 etwa jede 17. Erwerbsperson Antidepressiva.

Zum anderen stieg auch die Menge der Medikamente, die jeder Patient bekam. 2000 erhielten betroffene Männer im Jahr 110 Tagesdosen von Antidepressiva, 2013 waren es 224 Tagesdosen. Bei Frauen stieg die durchschnittliche Zahl der Tagesdosen von 104 auf 207 im Jahr 2013. Aus beidem ergibt sich eine massive Steigerung der Medikamentenverordnungen: Mehr Betroffene bekommen mehr Antidepressiva. „Insgesamt“, so die Autoren der Studie, „hat sich das Verordnungsvolumen von Antidepressiva zwischen 2000 und 2013 nahezu verdreifacht.“