Multikulti ist gescheitert. Mit diesem Satz wurde Heinz Buschkowsky über die Grenzen Berlins bekannt. Und er hat es geschafft, dass alle über Neukölln reden. Jetzt geht der Bezirksbürgermeister.

Berlin. Die Ankündigung kam überraschend: Heinz Buschkowsky, einer der bekanntesten Lokalpolitiker Deutschlands, hört auf. Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln bat am Dienstag den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), ihn zum 1.April aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand zu versetzen. Das bestätigte sein Büro.

„Der Januar ist bei vielen Menschen der Zeitpunkt für einen Kontrollcheck“, sagte Buschkowsky der „Bild“-Zeitung. Dieser habe ergeben, dass er von seiner 80-Stunden-Woche runterschalten müsse. Das gehe aber in seinem Job nicht. Der zum rechten Flügel gehörende Sozialdemokrat hatte sich in dem sozialen Brennpunktbezirk Neukölln mit vielen Zuwanderern einen Namen als Realpolitiker gemacht. Als einer der ersten prangerte er mit eingängigen, teils polternden Worten die Defizite einer wegschauenden Integrationspolitik an. Schon 2004 verkündete er: „Multikulti ist gescheitert.“ In seiner eigenen Partei galt Buschkowsky oft als eigensinniger Querdenker. Bundesweites Aufsehen erregte Buschkowsky auch mit Wachschutz für Schulen.

Regierungschef Müller würdigte Buschkowsky als einen „der profilierten Köpfe der Berliner SPD“ und der Bezirkspolitik. „Mit seinem Rückzug aus der Tagespolitik geht ein Stück Berlin verloren“, sagte Müller. Fraktionschef Raed Saleh lobte den Stil des Neuköllners. „Er redet immer Klartext, und ich freue mich besonders, dass die Partei gelernt hat, ihm zuzuhören.“ Auch CDU-Landeschef Frank Henkel bedauerte den Rückzug Buschkowskys. „Ich kenne Heinz Buschkowsky als einen streitbaren Politiker, der immer klar seine Meinung vertritt und dabei auch unbequeme Wahrheiten ausspricht“, sagte Henkel.

Buschkowsky stand mehr als 15Jahre an der Spitze von Berlin-Neukölln – 1991/1992 und dann von 2001 an. Eigentlich hat der 66 Jahre alte Buschkowsky schon seit eineinhalb Jahren das Pensionsalter erreicht. Doch er ließ sich nach seinem 65. Geburtstag im Sommer 2013 von der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln seine Amtszeit bis zur nächsten Wahl 2016 verlängern.

Über die Grenzen der Hauptstadt hinaus wurde er vor gut zehn Jahren bekannt: Im Jahr 2004, da war er gerade drei Jahre Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, erklärte der bis dato eher unauffällige Heinz Buschkowsky: „Multikulti ist gescheitert“. Und mit einem Schlag war er berühmt. Es ist ein extrem plakativer Satz, den Buschkowsky da gesagt hat, sein Reiz liegt vor allem darin, dass er zu den Sätzen gehört, von denen sofort eine große Masse Leute denkt: Endlich sagt es mal einer. Er hat bei vielen eine Erleichterung ausgelöst. Heinz Buschkowsky, ein beleibter Lokalpolitiker Mitte fünfzig, hatte von Neukölln aus eine bundesweite Debatte losgetreten. Da war jemand gegen die, wie selbst er so gern sagt, „Mafia der Gutmenschen“ angetreten. Da lobte nicht jemand sich selbst und seine gute Arbeit, sondern sagte deutlich: In meinem Bezirk läuft etwas falsch. Und er schien damit Erfolg zu haben.

Von da an rissen sich alle um Heinz Buschkowsky, den Sozialdemokraten vom rechten Rand. Erst die regionalen Blätter, dann die überregionalen. Und natürlich entdeckten die Talkshows den Mann mit dem Hang zur deutlichen Aussage für sich. Seit 2004 taucht Buschkowsky regelmäßig bei Illner, Jauch und Co. auf. Er sitzt dann gemütlich da, mit seinen Retro-Anzügen und den auffälligen Krawatten und sagt große Sätze über Muslime, über Imame, und Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind. Und er fordert, mehr Druck auszuüben. Zum Beispiel: Wenn Eltern ihre Kinder nicht zur Schule schickten, dann sollte man ihnen die Hartz-IV-Bezüge kürzen.

2004 war Buschkowsky gerade von einer Reise nach Rotterdam zurückgekommen. Eine Tour durch soziale Brennpunkte Europas, so wie der, den er selbst regiert. In Amsterdam wurde am 2. November 2004 der Filmemacher Theo van Gogh von einem islamischen Fundamentalisten ermordet. Die Frage, ob ein Mord aus falsch verstandenen religiösen Motiven auch in Deutschland möglich wäre, hatte Buschkowsky mit einer Gegenfrage beantwortet: „Was unterscheidet die Niederlande von Deutschland?“ Aus dem Nachbarland bekam Buschkowsky die Idee der „fordernden Integrationspolitik“, die er fortan in Neukölln praktizieren sollte.

„Was unterscheidet Sie von Thilo Sarrazin?“, ist er in einem Interview gefragt worden. Seine Antwort: „Ich weiß, wovon ich rede. Was ich beschreibe, ist das wirkliche Leben, was mich täglich umgibt.“ Von den Sarrazin-Thesen über „Kopftuchmädchen“ hat er sich immer distanziert.

Und Heinz Buschkowsky hat tatsächlich einiges bewegt in seinen Jahren als Bezirksbürgermeister einer der schwierigeren Bezirke Berlins. Das liegt auch daran, dass er sich sehr gut auskannte. Die Zahlen über Hartz-IV-Empfänger und Schulabbrecher hatte er immer sofort parat. „Es muss Menschen geben, die sehen, was vor Ort wirklich los ist. Menschen wie mich“, so Buschkowsky über Buschkowsky.

Tatsächlich hat er immer in Neukölln gelebt. Aufgewachsen ist er in einer Kellerwohnung in Rudow, der Vater Schlosser, die Mutter Sekretärin, sie zogen mit den Kindern in die moderne Gropiusstadt. Eine Aufsteigerfamilie, so wie es sich Buschkowsky von den Migranten wünscht. Die Eltern sollten denken: „Meine Kinder sollen einen besseren Start ins Leben finden. Sie sollen nicht das durchmachen, was ich durchgemacht habe. Mit dieser Botschaft bin auch ich groß geworden.“ Er war Bezirksverordneter, Stadtrat, Bürgermeister, dann Bezirksbürgermeister.

„Ich spiele in der Bezirksliga“, sagt Buschkowsky, einen „Dorfschulzen“ nennt er sich, aber ernst meint er diese Bescheidenheit nicht. Im Gegenteil. Davon zeugt schon der Titel seines 2012 bei Ullstein erschienenen Buchs sehr deutlich: „Neukölln ist überall“. Heinz Buschkowsky kann folgerichtig auch überall mitreden. Das ist seine Selbsteinschätzung.

In seinem Bezirk hat er gegen großen Widerstand Sicherheitswachdienst vor Schulen eingeführt, heute geben viele ihm damit Recht, er hat gegen das Betreuungsgeld gekämpft, damit die Kinder möglichst früh von den Bildungschancen profitieren können, und er ist ein Verfechter von Ganztagsschulen. Bildung, das ist für ihn der Schlüssel für Chancengleichheit. Bildung und – Druck.

Selbst ernannte Friedensrichter wollte er nicht anerkennen, und auch nicht, dass muslimische Mädchen vom Sportunterricht befreit würden. Auch gegen die Verschleierung sprach er sich aus. Wie bei allen seinen Beiträgen immer aus der radikal subjektiven Perspektive: „Ich mache keinen Hehl daraus: Ich finde, dass ein Straßenbild mit überwiegend völlig verhüllten Frauen nicht dem entspricht, was ich mir unter allgemeinen Verhaltensregeln für den öffentlichen Raum in Mitteleuropa vorstelle“, sagte er in einem Essay zu seinem jüngsten Buch „Die andere Gesellschaft“ (2014).

Da machte er noch nicht den Eindruck, dass er bald aufhören wolle: „Nicht selten kommen Besucher zu mir ins Rathaus und sagen: Sagen Sie mal, ich traue meine Augen nicht – was ist denn mit Neukölln passiert, seit ich vor ein paar Jahren das letzte Mal hier war? Und ich sage dann: Auch wenn es so aussehen mag: Wir sind kein Gottesstaat. Und ich werde tun, was ich kann, damit es auch nicht dazu kommt.“

Die Debatte ist inzwischen weitergezogen und Buschkowsky musste sich fragen lassen, ob er nicht eine Steilvorlage für Pegida-Anhänger liefern würde.

Das wird er wohl in Zukunft als Privatier tun. Neukölln wird er ja sicherlich erhalten bleiben. Und auf der Straße wird er wohl auch präsent bleiben. Denn seine Frau, so sagt er der „Bild“-Zeitung, wolle ihn nicht unbedingt den ganzen Tag im Haus haben. „Als Hausmann bin ich eine Null.“