Ein früherer Sowjetsoldat erinnert sich an die Befreiung des Vernichtungslagers

Moskau. Was er gefühlt hat bei der Befreiung des Nazi-Todeslagers Auschwitz durch die Rote Armee, weiß ExSowjetsoldat Leonti Brandt noch genau. „Ich war zutiefst verstört. Wir waren vom Krieg vieles gewöhnt, aber dort gab es etwas, das nicht ins Bewusstsein passte“, sagt der 90 Jahre alte Veteran. Er sei am 27. Januar 1945 in einer Gruppe von sieben Militäraufklärern in das Lager gekommen. „Vier Öfen qualmten noch, als wir ankamen.“ Öfen, in denen die Nazis Leichen verbrannten.

„Menschen wie Skelette kamen uns entgegen, die so ausgehungert waren, dass sie gar nicht zu begreifen schienen, wer wir sind“, erzählt der Veteran. Die Menschen, viele in Decken eingewickelt, hätten in so vielen Sprachen gesprochen, dass kaum eine Verständigung möglich war, erzählt Brandt russischen Schülern. Er ist aus dem sibirischen Tomsk nach Moskau gekommen zu einer Holocaust-Gedenkwoche des Russischen Jüdischen Kongresses, der zur Erinnerung an Auschwitz auch Begegnungen mit Veteranen organisiert. Dass zum 70. Jahrestag der Befreiung anders als vor zehn Jahren Kremlchef Wladimir Putin nicht als Ehrengast nach Polen eingeladen ist, stößt bei vielen hier auf Unverständnis.

Vor zehn Jahren, da sei alles noch ganz normal und feierlich gewesen, sagt der Veteran Iwan Martynuschkin. Er zeigt Fotos. Zu sehen ist er mit Putin im Präsidenten-Flugzeug. Beide reisten damals zum 60. Jahrestag als Ehrengäste nach Auschwitz. „Leider ist diesmal alles anders. Das Andenken der Roten Armee wird beschmutzt“, sagt er. Die Sowjetsoldaten hätten die Menschen damals aus der „Hölle“ befreit. „Ich habe gehofft, dass ich bis zu diesem Jahrestag lebe – und es noch einmal so eine würdige Atmosphäre gibt“, sagt er.

Die politischen Missklänge vor dem Gedenktag überschatten das Veteranen-Treffen. Die als Kind aus dem Lager befreite Alexandra Garbusowa, sie ist 76 Jahre alt, erzählt von den Nazi-Gräueltaten, der Trennung von ihren Schwestern und ihrer Mutter damals. Erst nach 25 Jahren habe die Mutter sie wiedergefunden. Für den damals 20 Jahre alte Leonti Brandt war Auschwitz nur eine von vielen Stationen. Für ihn ging die Befreiungsmission weiter: „Ich habe den Krieg in Prag beendet“, sagt er. Deshalb habe er sich entschieden, in diesem Jahr an einem Holocaust-Kongress in Tschechiens Hauptstadt teilzunehmen.