Merkel verspricht der Wirtschaftselite in Davos eine Aufholjagd im Wettlauf um Digitalisierung

Davos. Erstaunlich knapp ist Angela Merkel. Die Kanzlerin steht auf der Bühne vor der internationalen Wirtschaftselite, im Programmheft steht, dass sie über Verantwortung im digitalen Zeitalter spricht. Aber dann sind es zwischen Ukraine-Konflikt, islamistischem Terror und Haushaltspolitik nur wenige Sätze, die Merkel zu ihrer Vorstellung einer Digitalisierungsoffensive sagt, zu dieser Schlüsselfrage für Wachstum und Wohlstand in Europa.

In ihrer Analyse ist Merkel offen: „Wir müssen eher aufholen, als dass wir an der Spitze stehen.“ Die EU habe ihre Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht überwunden und in den vergangenen Jahren trotz aller Reformanstrengungen nicht ausreichend an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Dies gelte besonders für die Digitalisierung der Industrieproduktion: „Europa muss schneller werden.“

Merkels Digitalisierungsoffensive, die sie „Digitale Agenda“ nennt, wird von vielen Spitzenmanagern auf dem Weltwirtschaftsforum aufmerksam beobachtet. Wenn die Kanzlerin endlich ernst macht mit Breitbandausbau für schnelles Internet auf dem Land und mit weiteren Innovationsschritten, ist Deutschland ein Riesenmarkt. So lobt denn auch John Chambers, Chef des US-Kommunikationsriesen Cisco, Merkels Bemühungen. Israel habe vorgemacht, wie ein Land zum digitalen Vorreiter werden könne, sagt Chambers. Nicht weniger habe Merkel vor.

Die aber schweift in ihrer Rede, die sie als eine der wenigen in ihrer Muttersprache hält und nicht auf Englisch, immer wieder ab auf die Krisen und Konflikte, die in Berlin ihren Alltag prägen. Das Ringen mit den Vorbehalten in der Bevölkerung gegen das geplante TTIP-Freihandelsabkommen mit den USA zum Beispiel. Nach einem kurzen Plädoyer für mehr Offenheit in dieser Frage kommt sie noch kurz auf Griechenland zu sprechen und auf die Folgen, die ein möglicher Wahlerfolg der Linkspopulisten am kommenden Sonntag für den Zusammenhalt des Euro-Raums haben könnte. Es gehe weiter um Bereitschaft zur Solidarität und Bereitschaft zur Eigenverantwortung. Und tut damit niemandem weh. Den deutlichsten Appell spart sie sich für den Schluss auf: Europa müsse ein bisschen neugieriger werden, „mehr nach außen gucken“ und „ein bisschen weniger im eigenen Saft schmoren“. Dennoch sei sie stolz, Teil dieser EU zu sein. Na gut.

Ihr Vizekanzler hatte schon am Morgen seine eigene Botschaft verbreitet. Und im Gegensatz zu den Ideen der Kanzlerin klingt das, was Sigmar Gabriel ankündigt, ziemlich teuer: „Und die Botschaft der deutschen Unternehmen ist, jetzt die Steuermehreinnahmen und die niedrige Zinsbelastung dazu zu nutzen, in Bildung, Forschung und Infrastruktur mehr zu investieren.“

In einem kurzen Satz macht sich Gabriel die Forderung der Wirtschaft zueigen. „Das ist das, was am Ende deutschen Erfolg ausmacht“, sagt Gabriel. Er verweist darauf, dass viel zu viele junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte keine Berufsausbildung machten, gleichzeitig aber Fachkräftemangel herrsche. Deutschland als Investitionsmotor, das ist das Postkartenbild, das Gabriel von Davos aus in die Wirtschaftswelt schicken will, aber auch nach Hause, in die Koalition und in die eigene Partei, die er wirtschaftsfreundlicher aussehen lassen will.