Parteichef Lindner beschwört auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart den Neustart der Liberalen, die jetzt lieber Freie Demokraten heißen möchten

Stuttgart. Marc-Oliver Hendriks ist kein Freund der FDP. Seit der Intendant im Jahr 2009 die Leitung der Stuttgarter Staatsoper übernahm, stieg die Saalmiete für das traditionelle jährliche Dreikönigstreffen der liberalen Partei stufenweise an: von früher 4500 erst auf 6000, dann auf 10.000 und 30.000 Euro. In diesem Jahr musste die FDP zähneknirschend rund 45.000 Euro berappen.

Aber man zahlte. Denn das Staatstheater ist eine der letzten Bühnen, von denen die FDP ein großes Publikum erreicht. Im Bundestag dürfen die Liberalen nicht mehr reden, seit der Wähler die Partei in die außerparlamentarische Opposition schickte. Für zehn der 16 Landtage gilt das Gleiche. Umso wichtiger ist das 1866 ins Leben gerufene Dreikönigstreffen in Stuttgart, das seit 1948 im Großen Haus des Theaters stattfindet. Den prächtigen Opernsaal als Kulisse für liberale Botschaften in die Republik wollte Parteichef Christian Lindner sich nicht auch noch nehmen lassen.

Zumal der Vorsitzende sich für dieses Jahr etwas Besonderes vorgenommen hatte. Er wollte seiner am Boden liegenden Partei und der interessierten Öffentlichkeit die Frage beantworten: Warum eigentlich braucht es diese Freien Demokraten noch? In Stuttgart sollte es um die Schärfung des Profils nach außen gehen, die Selbstversicherung der eigenen Identität, auch die Lehren aus den Fehlern der vergangenen Legislaturperiode. Und, nicht zuletzt, um ein neues Erscheinungsbild, manifestiert in der neuen Parteifarbe Magenta und einem neuen Logo.

Nicht alles soll anders werden, das machte Lindner den 1000 Besuchern in der Staatsoper gleich zu Beginn klar, aber doch vieles. Traditionen wahren und mit Innovationen auffrischen, das soll inhaltlich, optisch und stilistisch die Leitlinie sein. Er wolle sich nicht mehr, wie bisher bei Dreikönig üblich und von ihm und seinen Vorgängern zelebriert, vorrangig an der politischen Konkurrenz abarbeiten, sondern über die eigenen Stärken reden. Darüber, was die FDP von den anderen Parteien unterscheidet. Also versuchte er sich an liberalen Antworten auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen von der Alterung über Zuwanderung und Digitalisierung bis zur Globalisierung.

In den konkreten Politikfeldern gab es dabei konkret wenig Neues zu hören. Die Forderungen nach der „weltbesten Bildung“ als Antwort auf den weltweiten Wettbewerb, qualifizierter Zuwanderung oder einem flexiblen Renteneintrittsalter als Reaktion auf den demografischen Wandel waren aus der FDP schon oft zu vernehmen. Neu allerdings war, dass Lindner seine Bekenntnisse zu freiem Unternehmertum, der Pflege der industriellen Basis oder der außenpolitischen Verankerung im westlichen Bündnis ohne Rücksicht auf vermeintlich klassisch liberale Klientel, Anbiederei an die öffentliche Mehrheitsmeinung oder Rücksicht auf verdiente Altvordere der Partei herleitete. Wer in den Umfragen dauerhaft bei zwei Prozent steht, so schien sein Motto, muss auf nichts mehr Rücksicht nehmen – außer auf seine Überzeugungen.

So ließ sich sein Bekenntnis für faire Wettbewerbsbedingungen für neue Marktteilnehmer wie den Taxi-Konkurrenten Uber als Abkehr vom bisher von der FDP gepflegten Protektionismus für bestimmte etablierte Berufsstände verstehen – die Apotheker-, Zahnärzte- oder auch Hotelbranche werden aufgehorcht haben. Oder die Außenpolitik. Die USA sind Deutschlands wichtigster Partner, sagte Lindner, und die TTIP getauften Freihandelsgespräche kein böses Chlorhühnchen-statt-Schwarzwälder-Schinken-Programm, sondern eine Wachstums- und Wohlstandschance. Sogar von der liberalen Ikone Hans-Dietrich Genscher traute er sich zu emanzipieren: Während der Altaußenminister Russlands aggressive Interventionspolitik regelmäßig mit Versäumnissen des Westens gegenüber Wladimir Putin zu begründen sucht, sagte Lindner: „Ich ärgere mich über diese Selbstbezichtigungen des Westens gegenüber Putin.“ Russland habe seinen Platz in Europa, aber nur wenn es die Regeln des Völkerrechts wieder achte.

Auch von seinem Vorgänger Philipp Rösler distanzierte sich Lindner. Während Rösler das Thema Steuersenkungen für beerdigt erklärt hatte, bekannte sich Lindner erst dazu, am Scheitern einer großen Steuerreform in der Regierung mit der CDU seinen Teil beigetragen zu haben. Aber dann versprach er: „Das wird mir niemals mehr passieren.“ Steuergerechtigkeit bleibe jedenfalls ein Freiheitsthema, „es lohnt sich weiter und ist faszinierend, jeden Tag für ein gerechteres Steuersystem zu arbeiten“. Das sei auch eine Frage der Selbstachtung.

Zum Abschluss seiner Rede wurden diese Positionierungen optisch unterfüttert, auf der Leinwand des Staatstheaters leuchtete das neue Logo der FDP. Es ist dreifarbig, zum klassischen Blau und Gelb ist die Farbe Magenta-Pink hinzugekommen. Auch die Schriftart wurde modernisiert und der bisherige Slogan „Die Liberalen“ durch „Freie Demokraten“ ersetzt.

Nun haben sich die wechselnden Vorsitzenden dieser Freien Demokraten schon immer mit Hingabe um das äußere Erscheinungsbild ihrer Partei gekümmert. Walter Scheel zum Beispiel wählte 1972 Blau und Gelb als Parteifarben aus, um die Plakate der Liberalen im Straßenwahlkampf hervorstechen lassen. Oder Guido Westerwelle: Der schaffte 2001 die von Scheel eingeführten Pünktchen („F.D.P.“) wieder ab, weil diese „werblichen Stopper“ nicht mehr zum neuen Wahlkampf-Schlüsselmedium namens Internet passten.

Der erste Praxistest für die runderneuerte FDP steht schon in wenigen Wochen an: Am 15. Februar wählt Hamburg seine neue Bürgerschaft. Die ersten Plakate in Blau-Gelb-Magenta werden in der Hansestadt bald aufgestellt.