Umfrage: Zwei Drittel der Deutschen halten die Islamisierung für übertrieben dargestellt. Der Begriff Pegida soll jetzt Unwort des Jahres werden.

Berlin/Hamburg. Zwei von drei Deutschen glauben, dass die Pegida-Demonstranten eine „Islamisierung Deutschlands“ übertrieben darstellen. 29 Prozent der Bürger dagegen warnen: Der Islam hat einen so großen Einfluss, dass die Protestmärsche wie die der Pegida gerechtfertigt seien. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage für den „Stern“. Vor allem Anhänger der Alternative für Deutschland (AfD) sehen die Gefahr einer Islamisierung. Forsa-Chef Manfred Güllner sagte: „Dieser Befund bestätigt einmal mehr, dass die Anhänger der AfD keinesfalls die Mitte der Gesellschaft repräsentieren, sondern eine Randgruppe mit klarer fremdenfeindlicher Tendenz sind.“

13 Prozent aller Befragten würden sich an Protestmärschen gegen eine Islamisierung Deutschlands beteiligen, wenn sie in der Nähe ihres Wohnorts stattfänden. Die größte Bereitschaft, an solchen Demonstrationen teilzunehmen, findet sich laut Umfrage unter den Anhängern der AfD (45 Prozent) und der Linken (26 Prozent). Von den Nichtwählern, die der Politik eher skeptisch gegenüber stehen, würden nur 13 Prozent mitmarschieren – was dem Durchschnitt aller Bundesbürger entspricht.

Im Wahltrend kommen die Linken derzeit mit elf Prozent Zustimmung bei der Sonntagsfrage auf ihren höchsten Jahreswert aus 2014. Die Unionsparteien CDU/CSU verlieren im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt und liegen wieder bei 42 Prozent. Die SPD bleibt bei 23 Prozent, die Grünen bleiben bei 10 Prozent. Die AfD verharrt bei 5 Prozent, die FDP bei 2 Prozent. Auf die sonstigen kleinen Parteien entfallen 7 Prozent. Der Anteil der Nichtwähler und Unentschlossenen beträgt 30 Prozent.

„Das größte Problem am Ende des vergangenen Jahres war für die Deutschen die Zuwanderung von Ausländern“, sagt Forsa-Chef Güllner. Mit 38 Prozent sei es von den Befragten am meisten genannt worden. „Die Bürger machen das fest an der ungeschickten Verteilung der Asylbewerber, am Missbrauch von Sozialleistungen oder auch an der vermeintlich hohen Zahl von Flüchtlingen, die Deutschland aufnimmt.“

Pegida: Unwort des Jahres verstößt gegen Menschenwürde

Unterdessen wurde das Wort Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) mehrmals für das „Unwort des Jahres 2014“ vorgeschlagen. Das sagte die Darmstädter Professorin Nina Janich aus der Jury. Im Internet haben mehr als 200.000 Menschen die Online-Petition „NoPegida“ unterschrieben.

Eingereicht werden können Begriffe, die gegen die Menschenwürde verstoßen oder gegen Prinzipien der Demokratie. Genannt werden können auch Formulierungen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die beschönigend, verschleiernd oder gar irreführend sind.

Das Unwort wird am 13. Januar 2015 in Darmstadt bekannt gegeben. Insgesamt seien bisher knapp 1200 Einsendungen eingegangen. Einen Renner unter den Vorschlägen gibt es nicht. Für 2013 hatte es insgesamt 1340 Einsendungen gegeben.

Zu den häufiger genannten Vorschlägen gehören auch „Putin-Versteher“ und „Social Freezing“. Als „Putin-Versteher“ werden Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt bezeichnet. Es kommt laut Janich wegen der Nennung eines Eigennamens als Unwort eher nicht in Betracht.

Zuletzt wurde „Sozialtourismus“ gewählt

„Social Freezing“ bezeichnet das Einfrieren von Eizellen, damit Frauen wegen der Karriere Kinder auf später verschieben können. Eingereicht wurden auch Begriffe wie „Halbwesen“ (die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff über Retortenkinder) und „Tugendterror“ (im Titel eines Buches des umstrittenen Autors Thilo Sarrazin).

Zum „Unwort des Jahres“ 2013 war „Sozialtourismus“ gewählt worden. Damit sei gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa, gemacht worden.

Die „Unwort“-Jury richtet sich nicht nach der Häufigkeit der Vorschläge, sondern entscheidet unabhängig. Der Begriff „Opfer-Abo“, der zum „Unwort des Jahres 2012“ gewählt worden war, war nur einmal vorgeschlagen worden. Die Jury besteht im Kern aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten.

AfD verteidigt Pegida und attackiert Merkel

Unterdessen hat die Alternative für Deutschland (AfD) die Anti-Islam-Bewegung „Pegida“ gegen Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Schutz genommen. „Sie verurteilt Menschen von oben herab, die sie gar nicht kennt“, sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, Alexander Gauland. Die Kritik der Kanzlerin an den Kundgebungen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ werde der Protestbewegung noch mehr Zulauf als bisher bescheren, prognostizierte Gauland. Der AfD-Politiker hatte selbst Mitte Dezember als „Beobachter“ an einer „Pegida“-Demonstration in Dresden teilgenommen.

Merkel warnte die Deutschen in ihrer Neujahrsansprache davor, sich den „Pegida“-Protesten anzuschließen. Sie sagte in ihrer Rede: „Heute rufen manche montags wieder 'Wir sind das Volk'. Aber tatsächlich meinen Sie: Ihr gehört nicht dazu – wegen eurer Hautfarbe oder eurer Religion.“