Viele EU-Länder befürworten einen neuen, souveränen Staat. In Deutschland ist derzeit nur die Linkspartei dafür

Berlin. Das Thema ist durchaus heikel: Das EU-Parlament will am Mittwoch seine Position zur Anerkennung Palästinas als Staat festlegen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini plädiert zwar für eine Führungsrolle der EU als Vermittler im Nahost-Konflikt, in dieser Frage aber bezieht sie lieber keine Stellung: Die Abgeordneten sollten doch eine Position einnehmen, die den Friedensprozess voranbringe, lautet ihre vorsichtige und vage Empfehlung.

In Europa wächst derzeit die Unterstützung für einen souveränen Palästinenserstaat. Schweden erkannte Palästina als erstes westeuropäisches EU-Mitglied Ende Oktober offiziell an – für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas eine „historische Entscheidung“, für den israelischen Außenminister Avigdor Lieberman eine „Schande“. Polen, Ungarn und die Slowakei hatten Palästina bereits vor ihren EU-Beitritten anerkannt. Weltweit sind es mittlerweile mehr als 130 Staaten. Auch die Parlamente in London, Madrid und Paris haben in den vergangenen Wochen für die Anerkennung Palästinas votiert – allerdings nur mit symbolischer Wirkung. Die Befürworter wollen Druck machen auf Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, ein Zeichen setzen gegen seine Siedlungspolitik.

In Deutschland dürfte eine Anerkennung Palästinas keine politische Mehrheit finden. Die Bundesregierung tritt zwar für ein unabhängiges Palästina im Sinne einer Zweistaatenlösung ein. Ebenso wie die USA vertritt sie aber die Linie, dass ein souveräner Palästinenserstaat erst am Ende von Friedensverhandlungen mit Israel anerkannt werden könne. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte Ende November, „dass eine einseitige Anerkennung des palästinensischen Staates uns auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung nicht voranbringt“. Nach Ansicht des außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, kann eine einseitige, sofortige Anerkennung „sogar den gesamten politischen Prozess in der Region gefährden“.

„Selbst wenn wir das machen würden, würde dadurch kein Palästinenserstaat entstehen“, sagt der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen. Die SPD habe zwar Verständnis für die Palästinenser. Aber: Eine derartige Initiative sei „nicht unbedingt unserer historischen Rolle angemessen“. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel bestehen 2015 seit 50 Jahren. In dem einzigartigen Verhältnis geht es immer auch um die historische Verantwortung Deutschlands für den Holocaust, den systematischen Völkermord an etwa sechs Millionen Juden während der NS-Zeit.

Auch die Grünen sind gegen nationale Alleingänge wie in anderen EU-Staaten. „Klar ist, dass am Ende dieser Verhandlungen die Anerkennung des Staates Palästina stehen muss“, sagt der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour. Nur in der Linkspartei sind andere Stimmen zu hören. „Man muss Israel als besonderen Partner schon deutlich zeigen, wo die deutsche Politik steht“, sagt Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke. Mit Freunden müsse man offen umgehen. Die Linke plant für Anfang 2015 einen Gruppenantrag im Bundestag. Doch dort hat die Partei nur 64 von 631 Sitzen.

Im EU-Parlament wird ein Kompromiss erwartet. Die Meinungen reichen von einer – eher unwahrscheinlichen – Forderung nach einer sofortigen Anerkennung ohne Bedingungen bis hin zu einer Anerkennung nach dem Abschluss von Friedensverhandlungen mit Israel. Ganz gleich wie das Votum ausfällt: Bindend ist es nicht für die Regierungen.