Eingeführt wurde der Soli für den Aufbau Ost. Der ist so gut wie abgeschlossen. Doch Bund und Länder wollen auch nach 30 Jahren Deutsche Einheit mit dem Soli Kasse machen. Wie das gehen soll?

Berlin. Über eines waren sich die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer bei ihrem Treffen am Donnerstag sehr schnell einig: Der Solidaritätszuschlag soll auch nach 2019 erhoben werden. Das sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD). „Jetzt geht es im Prinzip nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie“, so Woidke. Bisher steht die Abgabe allein dem Bund zu, die Länder beanspruchen ab 2020 jedoch die Hälfte der Einnahmen.

Der Solidaritätszuschlag ist aber nur eines der Probleme bei der angestrebten Reform der föderalen Finanzbeziehungen. Ein auf den ersten Blick eher trockenes Thema, tatsächlich aber für die Bürger die wohl wichtigste Reform der laufenden Legislaturperiode. Eigentlich wollten Bund und Länder bereits am Donnerstag die Eckpunkte für eine Reform der Finanzverfassung in Deutschland präsentieren. Doch eine Einigung ist in weiter Ferne, nun ist der Juni 2015 anvisiert. Eben weil es um viele Milliarden geht und weil dabei so viele unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen, sind die Verhandlungen festgefahren. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur schwierigsten Reform in der laufenden Wahlperiode.

Warum ist eine Reform nötig?

Ende des Jahrzehnts ändert sich die Finanzsituation für viele Bundesländer dramatisch. 2019 läuft der Länderfinanzausgleich aus, der für gleiche Lebensverhältnisse im Land sorgen soll. Daneben müssen die Länder ihre Finanzbeziehungen mit dem Bund neu ordnen. Denn 2019 endet auch der Solidarpakt II für den Aufbau Ost.

Deshalb verhandeln Bund und Länder auch über die Zukunft des Solidaritätszuschlages. Der Soli ist zwar rechtlich nicht an den Solidarpakt gebunden, politisch aber mit ihm verquickt. Verfassungsrechtlich wäre eine Fortführung des Soli über 2019 hinaus wohl problematisch. Für die Bundesländer hängt von der Neuverteilung der Gelder viel ab. Denn ab 2020 greift für sie die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse, die ihnen die Aufnahme neuer Schulden verbietet.

Um wie viel Geld geht es?

Theoretisch um 640 Milliarden Euro. So hoch sind derzeit die Steuereinnahmen des Staates. Praktisch konzentriert sich die Diskussion auf einige wichtige Punkte. Im Zentrum stand dabei bislang die Zukunft des Soli. Dessen Einnahmen stehen derzeit ausschließlich dem Bund zu. Bis Ende des Jahrzehnts werden die Soli-Einnahmen auf rund 18 Milliarden Euro im Jahr steigen. Die Länder hätten gern die Einnahmen ganz für sich oder zumindest einen Teil davon. Auch über den Länderfinanzausgleich wird gestritten. Immerhin acht Milliarden Euro – mit Umsatzsteuervorwegausgleich sogar 15 Milliarden – werden jährlich zwischen den Ländern umverteilt, um „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in ganz Deutschland herzustellen. Weil das Grundgesetz dieses Ziel vorgibt, wird auch ab 2020 ausgeglichen – die Frage ist nur, in welcher Form und in welcher Höhe. Daneben geht es in den Verhandlungen um diverse Zuweisungen des Bundes an die Länder. Auch verhandeln beide Seiten darüber, wer für welche Sozialausgaben künftig aufkommen soll.

Was sind die Konflikte zwischen Bund und Ländern?

Die Länder wollen vor allem mehr Geld vom Bund. Ihre Wunschliste beläuft sich auf rund acht Milliarden Euro. Vor allem wollen sie ein Stück vom Soli-Kuchen abhaben. Lange Zeit schienen sich Bund und Länder einig, den Soli in die Einkommenssteuer zu integrieren. Den Ländern würden dann künftig 42,5 Prozent der Einnahmen zustehen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatten einen gemeinsamen Vorschlag für eine Integration präsentiert. Doch dann stoppten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer den Bundesfinanzminister vor einigen Wochen. Sie fürchten, eine Soli-Integration könnten die Bürger als Steuererhöhung wahrnehmen – und höhere Belastungen hatte die Union in dieser Legislaturperiode ausgeschlossen.

Was sind die Konflikte zwischen den Ländern?

Die Länder verfolgen aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Finanzlage sehr unterschiedliche Ziele. So wünschen sich arme Länder einen Altschuldentilgungsfonds, der mit den Soli-Einnahmen gefüllt wird, die reichen Länder lehnen das ab. Besonders heftig streiten die Ministerpräsidenten über den Länderfinanzausgleich. Mit 4,3 Milliarden Euro muss Bayern allein die Hälfte des Ländertopfs schultern. Neben dem Freistaat zahlen nur Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg in den Finanzausgleich ein, die restlichen zwölf Länder bekommen Geld. Größter Profiteur ist Berlin, das im Jahr 2013 mehr als drei Milliarden Euro erhielt. Vor allem Bayern will künftig deutlich weniger in den Ländertopf zahlen. Die armen und ostdeutschen Länder wollen dagegen möglichst wenig am jetzigen System ändern.

Auf was hat man sich bislang geeinigt?

Nur auf grobe Eckpunkte. Der Soli soll nach 2019 weiterlaufen. Fördermittel sollen künftig nicht mehr nur in den Osten, sondern auch in westdeutsche Problemregionen fließen. Außerdem hat sich der Bund bereit erklärt, die ärmsten Länder – Berlin und das Saarland – finanziell zu unterstützen.

Wann wird eine Reform stehen?

Ursprünglich sollten sich die Finanzminister von Bund und Ländern bis Mitte Oktober dieses Jahres auf Vorschläge für eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen einigen, bis Donnerstag sollte der neue Länderfinanzausgleich stehen, 2015 das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden. Dieser Fahrplan war von Spitzenpolitikern von vornherein als „Witz“ bezeichnet worden. Nun soll spätestens bis Juni 2015 ein gemeinsames Konzept stehen. Wahrscheinlicher ist, dass die Verhandlungen erst wenige Monate vor der Bundestagswahl 2017 abgeschlossen werden. Einige Länder spielen auf Zeit, um die anderen unter Druck zu setzen.