Demonstrationen gegen „Islamisierung des Abendlandes“ haben starken Zulauf, Extremismusforscher sind besorgt.

Berlin. Was ist da los in der Republik? In Dresden versammeln sich seit Wochen selbst ernannte Patrioten zu Montagsdemonstrationen und protestieren dabei gegen alles Mögliche: gegen angeblichen Asylmissbrauch, muslimische Extremisten, eine Verwässerung der deutschen Kultur und die vermeintliche „Islamisierung des Abendlandes“. Anfangs waren es ein paar Hundert Leute, nun sind es jede Woche mehrere Tausend – an diesem Montagabend waren sogar 10.000 Menschen gekommen. Inzwischen gibt es in anderen Städten Ableger der Dresdner Bewegung, bei der sich auch Neonazis, Hooligans und bekennende Islamfeinde unter das Bürgertum mischen.

Es mehren sich rechtsextreme Übergriffe auf Asylbewerberheime und Proteste gegen neue Flüchtlingsunterkünfte. Und der Gewaltausbruch eines Mobs von Hooligans und Rechten in Köln vor einigen Wochen – im Namen des Kampfes gegen Salafisten – sorgt noch immer für Ratlosigkeit. Rechtsextremismus-Experten beobachten die Entwicklung mit Sorge.

„Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ – kurz Pegida – nennen sich die Montagsdemonstranten in Dresden. Sie wenden sich gegen die Aufnahme von „Wirtschaftsflüchtlingen“, gegen islamische Terroranhänger und vermeintliche Glaubenskriege auf deutschem Boden.

Manches Ziel mutet eher schräg an. Auch der Erhalt von Weihnachtsmärkten treibt die Pegida-Leute um. Dass diese mancherorts schon „Wintermärkte“ hießen, damit die Gefühle von Nicht-Christen nicht verletzt werden – das geht aus ihrer Sicht gar nicht.

Über den Sinn der Demos sagte Pegida-Wortführer Lutz Bachmann kürzlich, schließlich traue sich sonst niemand, offen über diese Dinge zu reden. Immer werde gleich die „Nazi-Keule“ geschwungen. Dabei wollten er und seine Mitstreiter nichts mit Radikalen zu tun haben. Harmloser Bürgerprotest also? Nein, meint der Berliner Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke. Die Pegida werfe „Kampfvokabeln“ in die Menge, lade die Bevölkerung zu Ressentiments auf. Die Gruppe versuche, einen „Kampf der Kulturen“ zu schüren. „Das ist das klassische Repertoire von Rechtspopulisten.“ Es gebe Ansätze einer rechtsextrem inspirierten Massenbewegung. „Das macht mir Sorgen.“

Timo Reinfrank sagt: „Das sind rechtspopulistische Wutbürger,“ Reinfrank arbeitet für die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Initiativen gegen Rechtsextremismus unterstützt. Die Mobilisierungskraft der Pegida und anderer Gruppen bereitet auch ihm Sorgen. „Hass wird salonfähiger.“

Eine aktuelle Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt, dass rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung zwar geringer werden, aber Ressentiments gegen einzelne Gruppen wie Obdachlose, Langzeitarbeitslose oder Asylbewerber weit verbreitet sind. Rechte Haltungen machten sich zunehmend in subtileren Formen bemerkbar, mahnen die Autoren, besonders oft unter AfD-Anhängern.

Hajo Funke beklagt, die politischen Verantwortlichen hätten es versäumt, frühzeitig und vernünftig auf den Anstieg der Asylbewerberzahlen zu reagieren und auf Ängste in der Bevölkerung einzugehen. Hinzu kommt eine gefühlte Bedrohung durch Islamisten.

Verschiedene Gruppen machen sich diese Gefühlslage in der Bevölkerung nach Ansicht der Experten zunutze. Aus Sicherheitskreisen ist die Sorge zu hören, dass Rechtsextreme Kundgebungen gegen Asylsuchende oder Islamisten unterwandern.

Zudem wächst die Zahl der Übergriffe gegen Asylbewerberheime. Das Bundeskriminalamt zählte in den ersten neun Monaten 2014 schon mehr rechtsextreme Angriffe dieser Art als 2012 und 2013 zusammen.

Gleichzeitig gibt es eine große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung für Flüchtlinge. Und auch gegen die Demos keimt Widerstand auf. Nach Polizeiangaben nahmen am Montag in Dresden mindestens 7000 Teilnehmer an einem Sternlauf gegen Intoleranz und für eine weltoffene Stadt teil. Und in Düsseldorf konnte Pegida nur 400 Menschen mobilisieren.