Gesundheitsexperte Jens Spahn tritt bei Präsidiumswahl gegen Minister Hermann Gröhe an

Berlin/Köln. Es gab eine Zeit, da hätten Parteifreunde nicht mehr viel auf die politische Karriere von Jens Spahn gesetzt. Das liegt noch gar nicht so lange zurück. Damals war der 34-jährige Gesundheitsexperte der CDU nach einem Höhenflug gerade unsanft gelandet. Bei den Koalitionsverhandlungen hatte Spahn für die Union die Arbeitsgruppe Gesundheit geleitet, war erst als Gesundheitsminister, dann als Generalsekretär gehandelt worden. Am Ende wurde der Merkel-Vertraute Hermann Gröhe Gesundheitsminister und Peter Tauber Generalsekretär. Spahn, gerade zum vierten Mal direkt in den Bundestag gewählt, ging bei der Vergabe der Posten leer aus.

Einige sahen die Schuld auch bei ihm selbst. Zu verbissen-ehrgeizig sei der gelernte Bankkaufmann und Politologe aus Ahaus im Münsterland in seinem Streben nach Höherem. Auch, dass er offen die Rentenpläne der Großen Koalition kritisiert hatte, kam bei vielen nicht gut an. Als bekannt wurde, dass Spahn beim an diesem Dienstag beginnenden CDU-Parteitag in Köln gegen Gesundheitsminister Hermann Gröhe um einen Platz im Präsidium antreten will, schien sein politisches Schicksal besiegelt. Kampfkandidaturen gelten in der Union als ungehörig, erst recht, wenn sie gegen einen Minister gehen. Vakant wird der Platz im Präsidium, weil der langjährige Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, nicht mehr antritt.

Doch nun hat sich die Stimmung gewandelt. Obwohl der Landesverband NRW, aus dem Spahn stammt, Gröhe für Mißfelders Nachfolge im Präsidium nominiert hat, halten viele auch eine Spahn-Wahl für möglich. Zumal dieser hinter den Kulissen für seine Kandidatur in Partei und Fraktion geworben hat und prominente Unterstützung erhielt. Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte, er habe „viel Sympathie“ für Spahns Kandidatur. Dieser sei ihm als „einer der Streitlustigeren“ in der Partei und im Parlament aufgefallen: „Damit kann er einem manchmal ganz schön auf die Nerven gehen, aber das gefällt mir.“ Das heißt nicht, dass Schäuble in Köln für Spahn eine Bresche schlagen wird. Aber es ist ein Zeichen an die Delegierten: Wer für Spahn stimmt, votiert damit nicht gegen die Parteiführung.

Hinzu kommt, dass der CDU-Bezirk Niederrhein vormachte, dass man Bundesminister nicht unbedingt in andere Ämter wählen muss. Dort hatte sich Gröhe zum Vorsitzenden wählen lassen wollen und war dem parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings, unterlegen. Der habe die bessere Rede gehalten, hieß es. Seither gilt Gröhe als angezählt.

Spahn gibt sich gelassen. „Ich nehme das sportlich“, sagt er. Natürlich weiß er, dass sein Vorstoß einige in der Führung nervt. Sie hätten lieber einen ruhigen Parteitag gehabt, bei dem der einzige Streitpunkt die kalte Progression gewesen wäre. Aber Spahn weiß auch, dass es ein wachsendes Unbehagen in der Partei gibt. Darüber, dem Koalitionspartner SPD ständig Zugeständnisse machen zu müssen wie bei Mindestlohn und Frauenquote. Und darüber, das Image eines Abnickvereins zu haben. Es ist diese Unzufriedenheit, die Spahn auf dem Parteitag zupasskommen könnte.

Er setzt auf die Karte der Jugend. Er wolle mithelfen, die CDU stärker zur Partei der Zukunftsthemen zu machen, sagt Spahn: „An der Frauenquote wird sich nicht Deutschlands Zukunft entscheiden.“ Stattdessen will er lieber Diskussionen über Zuwanderungspolitik und das wirtschaftliche Potenzial von Daten im digitalen Zeitalter vorantreiben. Die Mittelstandsvereinigung der CDU und die Junge Union hat er hinter sich. Noch mehr als von Inhalten dürfte ein Sieg von seinem Auftritt vor den Delegierten abhängen – und von dem seiner Gegner. Für Gröhe wäre eine weitere Wahlniederlage dramatisch. Ein anderer Konkurrent von Spahn um den Präsidiumsposten ist der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann. Er gilt als jemand, der Parteiversammlungen für sich einzunehmen versteht. Einen Punkt hätte Spahn aber auch bei einer Niederlage gemacht – als jemand, der mutig genug war, das Establishment herauszufordern. Was er tun wird, wenn er scheitert? „Verlieren ist immer Mist, aber verkraftbar“, sagt Spahn.