Im Bundestag streiten Regierung und Opposition über schwarze Null im Haushalt und Russlandpolitik

Berlin. „Okkultismus“ oder „historischer Wendepunkt“? Das Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts 2015 ist am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestags von Regierung und Opposition völlig unterschiedlich bewertet worden. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann dies „gar nicht hoch genug angesehen werden“. Linken-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht warf ihr „okkulte Opferrituale vor ihrer neuen Göttin, der schwarzen Null“ vor.

Merkel nannte den Etat 2015 einen „Wendepunkt“ in Deutschland. Erstmals seit 46 Jahren müsse der Bund keine neuen Schulden machen, um seine Vorhaben und Verpflichtungen zahlen zu können. Die Kanzlerin bekräftigte das Ziel, auch in den Folgejahren ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Dies sei trotz eingetrübter Wirtschaftsdaten „realistisch“. Sie verwies auf Arbeitsmarkt, Lohnzuwächse und stabile Preise und sprach von einer „robusten“ Ausgangslage. Merkel nannte Deutschland einen „Stabilitätsanker und Wachstumsmotor“ in Europa. Zu einer völlig anderen Einschätzung kam Wagenknecht. Sie warf der Regierung eine Politik zulasten der Ärmeren vor. Die Reichen würden allenfalls „einen müden Euro“ zur Sanierung der öffentlichen Finanzen beitragen, und die Regierung tue zu wenig, um wirtschaftliche Dynamik anzukurbeln. „Weggucken, Wegducken, Wegreden – das ist ihr Dreiklang im Umgang mit den Problemen der Gegenwart“, warf Wagenknecht der Regierung vor.

Zu viel Passivität kritisierte auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter: „Frau Bundeskanzlerin, wenn ich Ihnen zuhöre, sehe ich nur diffusen grauen Nebel vor mir.“ Merkel wiederum verwahrte sich gegen „künstliche Gegensätze“ zwischen solider Haushaltspolitik und der Förderung von Wirtschaftswachstum.

Der Bundeshaushalt für das Jahr 2015 sieht Ausgaben von knapp 300 Milliarden Euro vor. Erstmals seit 1969 sind darin keine neuen Schulden vorgesehen. Im derzeit laufenden Haushaltsjahr sind noch 6,5 Milliarden Euro neue Schulden eingeplant.

Scharfe Töne gab es auch in der Diskussion über die Ukraine-Krise. Merkel bekräftigte ihre Haltung gegenüber Russland: Es gebe nichts, das die Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim oder „die direkte oder indirekte Beteiligung Russlands an den Kämpfen in Donezk oder Lugansk“ rechtfertige. Die Kanzlerin versicherte aber auch ihre Gesprächsbereitschaft und zeigte sich zuversichtlich, dass die Krise letztlich lösbar sei.

Wagenknecht warf Merkel vor, mit ihrer Haltung Deutschland „in eine Neuauflage des Kalten Krieges“ hineingetrieben zu haben. „Sie warnen vor Flächenbrand, aber gehören zu denen, die mit brennendem Zündholz herumlaufen“, sagte die Linken-Politikerin.

Mit Blick auf die Debatten um das transatlantische Handelsabkommen TTIP warnte Merkel Europa davor, den Anschluss zu verpassen. Der EU drohten nicht nur wirtschaftlich „große Nachteile“, wenn TTIP sich weiter verzögere. Die EU verpasse dann auch die Chance, Standards in Sachen Umwelt-, Verbraucher- und Rechtsschutz mitzubestimmen.