Zehn Bundesländer wollen, dass auch sie nach 2019 von den Einnahmen profitieren. Merkel lehnt ihren Plan ab

Berlin. Nun geht gar nichts mehr. Union und SPD steuern bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen in komplett unterschiedliche Richtungen. Bei einem Treffen in Düsseldorf haben sich Regierungschefs der zehn von Rot und Grün geführten Bundesländer darauf verständigt, dass der „Soli“ nach 2019 nicht ersatzlos wegfällt, sondern in die Einkommens- und Körperschaftssteuer für Bund, Länder und Kommunen integriert wird. So würde sichergestellt, dass auch die West-Bundesländer von ihm profitieren. Die Begründung der zehn Regierungschefs ist, dass 30 Jahre nach der Einheit eine Förderung „nach Himmelsrichtung“ nicht mehr sinnvoll sei. Schließlich hätten auch viele westdeutsche Länder mittlerweile erhebliche Strukturprobleme.

Es ist genau der Vorschlag, den die Union gerade erst fallen gelassen hat. „Ich bin der Auffassung, dass das Aufkommen aus dem Soli auch nach 2019 gebraucht wird, zur Erfüllung der Aufgaben von Bund, Ländern und Kommunen. Den Vorschlag, das Aufkommen aus dem Soli in die Einkommens- und Körperschaftssteuer zu integrieren, halte ich für zielführend“, erklärte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) bezeichnete eine Integration des Solidaritätszuschlags in die Gemeinschaftssteuern als derzeit „einzige erkennbare sinnvolle Lösung“. Eine solche Regelung könne strukturschwache Regionen nach vorne bringen und Konflikte beim Länderfinanzausgleich lösen, sagte der SPD-Politiker nach dem Spitzentreffen der Ministerpräsidenten von SPD und Grünen in Düsseldorf. Die SPD-Länder wollten dort gemeinsam mit Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann ein Zeichen setzen, dass sie geschlossen hinter der Forderung zur Integration des Solis stehen. Derzeit ist die SPD an 14 von 16 Landesregierungen beteiligt, in neun Ländern stellt sie den Ministerpräsidenten.

Die aktuelle Diskussion ist kein Zufall. Die Regierungschefs der Länder kommen am Donnerstag in Potsdam zusammen. Einziges Thema: der Länderfinanzausgleich. Am 11.Dezember treffen sie sich dann mit Bundeskanzlerin Merkel. Bis dahin müssen sie mit einer Stimme sprechen. Sie sind sich in vielen Punkten nicht einig. „Die Interessen sind so furchtbar unterschiedlich“, stöhnt ein Unterhändler. Aber in einem Anspruch herrscht meist Einigkeit. Der Bund soll mehr Geld geben – das ist der kleinste gemeinsame Nenner der Länder.

Die Integration des Solis in die Einkommenssteuer schien lange Zeit der einzige Punkt, auf den sich Bund und Ländern geeinigt hatten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatten einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet, der bei den meisten Ländern auf Zustimmung traf.

Merkel und Seehofer sind gegen den Plan der zehn Regierungschefs

Doch dann wurde Schäuble von Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer zurückgepfiffen. Die beiden fürchten, dass die Bürger eine Integration des Solis als Steuererhöhung verstehen könnten, auch wenn es gleichzeitig Steuererleichterungen über einen Abbau der kalten Progression geben sollte. „Merkel und Seehofer wollen auf Teufel komm raus keine Integration“, heißt es in der SPD.

Zwar würde eine Integration erst in der kommenden Wahlperiode zu höheren Steuern führen. Allerdings hatte die Union versprochen, in dieser Legislaturperiode nicht die Steuern zu erhöhen. Aus diesem Grund weist auch der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union die rot-grünen Forderungen zurück. „Rot-Grün plant eine heimliche Steuererhöhung durch die Hintertür. Das ist Wählertäuschung“, sagte Hans Michelbach.

Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ging auf Distanz zu dem Vorschlag aus der SPD. „Wir müssen wissen, dass die Einbeziehung in die allgemeinen Steuern natürlich dazu führt, dass es zu einer indirekten Steuererhöhung kommt. Deswegen wird das nicht der endgültige Vorschlag sein.“ Bundesfinanzminister Schäuble soll über die Haltung seiner Partei verärgert sein. In den SPD-Ländern ist man besonders über den Widerstand Merkels überrascht. „In all den Verhandlungsrunden saß doch immer einer vom Bundeskanzleramt mit am Tisch. Da kam nie ein Wort des Widerstandes“, sagt ein Verhandlungsteilnehmer. Die Integration des Solis galt als Schmiermittel für die Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen. Doch am 15. Februar wird in Hamburg gewählt. Bürgermeister Scholz (SPD) ist Verhandlungsführer der SPD-Länder in Finanzfragen. Ist der Wahlkampf erst mal eröffnet, hat er weder Zeit noch Spielraum für große Zugeständnisse. Man geht in Berlin daher davon aus, dass es erst ab März zur Sache gehen wird und dass die Verhandlungen bis Jahresende dauern.

Der Soli wird als Zuschlag auf die Einkommenssteuer erhoben. Er spült jährlich rund 15 Milliarden Euro in die Kassen. In SPD-Verhandlungskreisen rechnet man sogar mit 18 Milliarden Euro im Jahr 2019. Das Geld steht nur dem Bund zu. Würde der Soli in die Einkommenssteuer integriert, wären es nur noch 42,5 Prozent für den Bund. Die Länder bekämen dann ebenfalls 42,5, die Gemeinden 15 Prozent.