Erfolge bei zivilem Aufbau des Landes, Rückschläge im Kampf gegen Drogen und Korruption

Berlin. Er ist der Letzte seiner Art: In ihrem neuen Fortschrittsbericht Afghanistan zieht die Bundesregierung auf 66 Seiten die abschließende Bilanz nach 13 Jahren Engagement am Hindukusch. Danach geht es den 30 Millionen Afghanen heute zwar deutlich besser als 2001 vor dem Sturz der radikalislamischen Taliban. Auf eigenen Füßen kann das Land, das noch immer zu den ärmsten und korruptesten der Welt zählt, aber voraussichtlich auf lange Zeit noch nicht stehen. Wann und ob dieses eigentliche Ziel des westlichen Engagements erreicht werden wird, dazu wagt die Regierung keine Prognose. Vielleicht werde sich dies erst in Jahrzehnten aus der Rückschau beurteilen lassen. „Wir haben viel erreicht, aber sind noch lange nicht am Ziel“, schreibt der Afghanistan-Beauftragte Michael Koch.

Unumstritten positiv fällt die Bilanz des zivilen Aufbaus des Landes aus, für den allein Deutschland knapp drei Milliarden Euro aufbrachte: Gab es 2002 in Afghanistan gerade einmal 50 Kilometer asphaltierter Straße, so sind es heute 2500 Kilometer. Drastisch verbessert hat sich auch die gesundheitliche Lage. Knapp 60 Prozent der Menschen haben inzwischen Zugang zu medizinischer Grundversorgung, vor gut zehn Jahren konnte dies nur jeder zehnte Afghane von sich behaupten. Jeder dritte Bürger hat inzwischen einen Stromanschluss, früher war es nur jeder Zwanzigste. 2001 gingen eine Million Jungen in die Schule, heute gibt es acht bis neun Millionen Schüler – darunter etwa 40 Prozent Mädchen. Die Zahl der Studenten hat sich auf 100.000 verzehnfacht. Auch die Lebenserwartung der Menschen hat sich erhöht: 2001 lag sie bei 45 Jahren, heute wird ein Afghane durchschnittlich 60 Jahre alt.

Als relativ gelungen gilt auch der Aufbau von Staat und Institutionen in Afghanistan nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs. Das Land besitzt mittlerweile eine fortschrittliche Verfassung und hat mit der Präsidentenwahl dieses Jahr erstmals einen demokratischen Machtwechsel geschafft. Die Institutionen gelten jedoch als schwach, die Korruption grassiert, und auch bei der Justiz werden noch gravierende Probleme beklagt – unter anderem weil Clanchefs und islamische Gerichtsbarkeit gern mit dem Rechtssystem konkurrieren. Frauen wiederum sind inzwischen zwar offiziell gleichberechtigt, werden aber dennoch häufig massiv benachteiligt.

Klar negativ fällt die Bilanz der Bundesregierung im Kampf gegen den Drogenanbau aus. Afghanistan ist weiter mit Abstand größter Opiumproduzent der Welt und hat die Anbauflächen für Schlafmohn sogar auf über 200.000 Hektar ausgebaut. 2013 stellte das Land etwa 5500 Tonnen Opium her. Zugleich mangelt es Afghanistan weiter an einer wirtschaftlichen Perspektive. Die Bundesregierung hofft darauf, dass die Ausbeutung der reichen Bodenschätze – etwa Eisen- und Kupfererze – den Afghanen Geld in die klammen Kassen spült.

Als erhebliches Problem gilt auch die Sicherheitslage, die nie so gut wurde, wie die Nato sich das gewünscht hätte. Für Deutschland war der Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch eine Zäsur: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg kämpften in Kundus und Baghlan deutsche Soldaten in Gefechten. 55 Bundeswehr-Soldaten starben in dem Krieg. Das Ende des Nato-Kampfeinsatzes im Dezember bedeutet für die Afghanen, dass sie ihr Schicksal künftig weitgehend selbst in die Hand nehmen müssen. Die ausländischen Truppen sind künftig vor allem zur Beratung im Land, Deutschland dürfte mit bis zu 850 Soldaten zum zweitgrößten Truppensteller nach den USA aufrücken. Derzeit befinden sich 1500 Bundeswehrsoldaten am Hindukusch.