Noch nie waren so viele ältere Menschen betroffen

Wiesbaden. Armut trifft immer mehr ältere Menschen in Deutschland. Das Armutsrisiko der über 65-Jährigen steigt stärker als im Durchschnitt der Bevölkerung und hat den höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2005 erreicht. Unter den Rentnern im Westen ist der Anteil armutsgefährdeter Menschen bereits etwas höher als in der gesamten Bevölkerung, berichtete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch. „Das Problem ist akut wie nie und darf nicht mehr wegdiskutiert werden“, mahnte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher. „Man erkennt, dass das Absenken des Rentenniveaus nicht spurlos an den Rentnern vorbeigeht.“

Fast jeder siebte Ältere (14,8 Prozent) war 2013 in den alten Bundesländern von Armut bedroht. In den neuen Bundesländern einschließlich Berlin gilt zwar nur jeder achte Rentner als armutsgefährdet. Deutlich höher ist jedoch das Risiko der Gesamtbevölkerung im Osten: Während im Westen Deutschlands 14,4 Prozent der Menschen an der Armutsschwelle leben, ist es dort schon fast jeder Fünfte (19,8 Prozent) – und die Lage wird sich verschärfen. „Besonders im Osten werden wir in den kommenden Jahren eine Welle von Altersarmut erleben“, warnte der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler. Schon bald gingen Menschen in Rente, deren Erwerbsbiografien durch die Wiedervereinigung stark zerrüttet worden seien. Etwas besser als im deutschen Durchschnitt ist die Situation älterer Menschen in Hamburg: Die Armutsquote der über 65-Jährigen lag 2013 mit 11,7 Prozent um 3,1 Punkte unter dem deutschen Durchschnitt. Allerdings hat die Altersarmut in der Hansestadt zugenommen: 2011 hatte die Quote noch bei 9,6 Prozent gelegen. Auch in Schleswig-Holstein sind ältere Menschen etwas seltener von finanzieller Not bedroht als in den meisten anderen Bundesländern. Für das nördlichste Bundesland ermittelten die Statistiker eine Armutsquote von 12,2 Prozent für Frauen und Männer ab 65 Jahren.

Insgesamt ist das Armutsrisiko in Deutschland auf ein Rekordhoch gestiegen. 15,5 Prozent der Bevölkerung – fast jeder Sechste – sind mittlerweile von Armut bedroht. „Damit setzt sich der gefährliche Trend fort“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Er rief die Regierung auf, sich dem Problem zu stellen: „Wer diesen Trend stoppen will, braucht mehr als Mindestlöhne.“ Schneider forderte einen Masterplan, der unter anderem die Reform des Familienlastenausgleichs, Maßnahmen zum Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit sowie eine Neuordnung der Altersgrundsicherung umfassen müsse.