Ärzte-Chef warnt vor Bevormundung durch Großgewerkschaften

Erinnern Sie sich an die Ärztestreiks 2005/2006? Damals ging es darum, den Ärztinnen und Ärzten endlich eigene Tarifverträge mit einer Regelung von Bereitschaftsdiensten, Überstunden und Vergütung zu erkämpfen. Im jahrelangen Diktat der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di – die selbst kaum Ärzte organisiert – waren die Interessen der jungen Krankenhausärzte immer den Wünschen anderer Berufsgruppen im Krankenhaus geopfert worden. Der Kampf um einen eigenen Tarifvertrag war ein Kampf gegen Bevormundung durch Großgewerkschaften.

Die von der Regierung vorgesehene Regelung zur Einführung einer Tarifeinheit ist ein Geschenk von CDU und SPD an Arbeitgeber und Gewerkschaften. Nur so ist das ungewöhnliche Lob Wolfgang Roses für dieses Gesetz und die CDU zu verstehen. Ein Danaergeschenk: Es wird die sozialen Konflikte verschärfen, den Fachkräftemangel im Krankenhaus verstärken und – ganz am Ende – die Gründungen von Spartengewerkschaften fördern statt verhindern.

Die Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus werden sich – wie die Piloten bei der Lufthansa – nicht wieder unter die Tarifknute einer arztfreien (bzw. pilotenfreien) Großgewerkschaft zwingen lassen. Artikel 9, Abs. 3 des Grundgesetzes gesteht ausdrücklich „jedermann und allen Berufen“ das Recht auf die Bildung von Gewerkschaften und die Durchführung von Arbeitskämpfen zu. Und das ist auch gut so. Die jungen Ärzte sind selbstbewusster geworden; sie lassen sich nicht mehr von den Vorstellungen der bei Ver.di organisierten Angestellten in den Verwaltungen dominieren. Sie werden um ihren Tarifvertrag kämpfen – mit allen Mitteln.

Schauen wir in die Vergangenheit: Der Tarifstau der Jahre der Tarifdiktatur durch Ver.di hat zu einem gravierenden Ärztemangel an deutschen Krankenhäusern geführt. Ärzte sind damals massenhaft in die Industrie, die Praxen niedergelassener Ärzte und ins Ausland abgewandert. Dort waren Arbeitsbedingungen und Gehalt einfach besser. Wer das verhindern will, muss die Tarifeinheit à la Merkel und Gabriel ablehnen.

Und fast alle Rechtsgelehrten sagen voraus: Das Gesetz wird vor dem Verfassungsgericht krachend scheitern. Diese Gewissheit ist auch der Grund, warum Frau Merkel ihre schon 2010 den Arbeitgebern gegebenen Versprechen erst jetzt, mit einer willfährigen Andrea Nahles an ihrer Seite, umsetzen kann. Bei knappen Mehrheiten im Bundestag lassen sich solche verfassungskritischen Gesetze eben nicht durchsetzen.

Der Effekt des Scheiterns vor dem Verfassungsgericht wird ein Rohrkrepierer für die Regierung sein. Danach werden sich erst recht Sparten- und Berufsgewerkschaften gründen. Und die werden sehr kämpferisch sein, fühlen sie sich doch durch den zu erwartenden Spruch des Verfassungsgerichts legitimiert, ja zur Gründung aufgefordert.

Das ist einer der Gründe, warum mit Ausnahme der IG Metall, sich alle anderen Gewerkschaften im DGB gegen das Tarifeinheitsgesetz ausgesprochen haben. Die Gewerkschaften werden nämlich am Ende alle Verlierer der Aktion sein. Übrig bleibt ein Geschenk ausschließlich an die Arbeitgeber.

Der Streik der Lokführer wird aber auch von der Regierung – die ja noch immer Mehrheitseigner der Bahn ist – gezielt missbraucht, um öffentliche Stimmung gegen Gewerkschaften und Werbung für das Tarifeinheitsgesetz zu machen. Mein Aufruf an die Abgeordneten von CDU und SPD im Bundestag: Stoppen Sie diesen Unsinn!