Wirtschaftsminister verteidigt Kohleverstromung gegen „Ökopopulismus“ der Umweltschützer

Berlin. Eigentlich sollte der Bundesminister für Wirtschaft und Energie auf dem Kongress der Deutschen Energieagentur (Dena) über etwas ganz Anderes sprechen: Energieeffizienz und das geplante nationale Aktionsprogramm dazu. Das war das Thema, zu dem sich mehrere hundert Manager und Experten in dem großen Saal am Alexanderplatz versammelt hatten. Dann lief der Morgen im Berliner Kongresszentrum allerdings etwas aus dem Ruder. Denn kurz nachdem TV-Moderatorin Nina Ruge Bundesminister Sigmar Gabriel (SPD) ans Rednerpult gebeten hatte, erklommen zwei Greenpeace-Demonstranten mit Plakaten die Bühne: „Herr Gabriel: Klimaschutz braucht Kohleausstieg!“ Der Wirtschaftsminister solle sich nicht länger gegen inoffizielle Pläne des Bundesumweltministeriums sperren, zehn Gigawatt Kohlekraftwerke zwangsweise abschalten zu lassen.

Als Dena-Geschäftsführer Stefan Kohler im Bewusstsein seiner Gastgeberpflichten aufsprang, um Gabriel mit Saalordnern zu Hilfe zu eilen, blieb der ganz gelassen: „Lass die doch hier stehen“, beschied der Minister oben am Rednerpult gutmütig. „Stefan, setz dich hin!“ Es folgte eine Einladung an die Greenpeace-Leute: „Ich bin nachher noch im Estrel-Hotel bei den Betriebsräten von Vattenfall, die für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze in der Braunkohle kämpfen. Mein Vorschlag ist: Trauen Sie sich dort auch mal rein.“

Dann hielt Gabriel eine mehr als halbstündige Rede direkt und ausschließlich an Greenpeace gerichtet. Sie geriet zur Generalabrechnung mit blauäugigem Ökopopulismus und den „Illusionen der Energiewende-Propaganda“. „Dass Sie sich hier ein ruhiges ökologisches Gewissen machen und es anderen überlassen, für die Sicherheit von 50.000 Arbeitsplätzen in der Kohlewirtschaft zu sorgen, das ist eine Arbeitsteilung, die ich, vorsichtig gesagt, antiquiert nennen würde“, erklärte Gabriel. „Mit Ihrer Energiepolitik vertreiben Sie nicht nur die Grundstoffindustrie, sondern ganze Wertschöpfungsketten aus dem Land“, warf Gabriel den Greenpeace-Aktivisten vor. „Man kann nicht gleichzeitig aus Atom und Kohle aussteigen – jedenfalls nicht, wenn man wirtschaftlich überleben will.“

Dabei habe Deutschland schon jetzt wegen seiner Energiekosten mehr Probleme, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten: „Wenn ein BASF-Manager über immer weiter steigende Energiekosten klagt und lieber in den USA investiert, dann ist das doch nicht die Böswilligkeit von irgendwelchen angeblichen Energiewende-Gegnern, sondern schlicht die ökonomische Realität diese Landes!“ Im Ausland werde das Experiment bereits als gescheitert angesehen. „Und mitten in all die ungelösten Fragen kommen Sie jetzt mit der Forderung nach Kohleausstieg?“, fragte Gabriel. Dafür brauche man differenzierte Antworten. „Aber Differenzierungen passen nicht in Ihre Propaganda.“

Gegen Ende der Philippika versuchten die Greenpeace-Aktivisten nur noch mit „Aufhören“-Rufen gegenzuhalten. „Sie wollen, dass ich aufhöre?“, fragte Gabriel. „Sie haben hier meine Rede gestört, und ich setze mich jetzt mit ihren Positionen auseinander. Ich denke: Das müssen Sie aushalten.“