Zur Erinnerung an den Mauerfall tritt am Freitag der Liedermacher Wolf Biermann im Bundestag auf. Dessen Präsident Norbert Lammert verärgert mit seinem Coup die Linken, die der Künstler kritisiert.

Berlin. Wenn am heutigen Freitag der Bundestag mit einer Debatte an den Fall der Mauer vor 25 Jahren erinnert, wird kein Redner im Mittelpunkt stehen, sondern ein Sänger. Wolf Biermann, der Liedermacher, der 1976 aus der DDR ausgebürgert wurde, trägt den Abgeordneten einen Song vor. Undenkbar, dass die Linke freiwillig zugestimmt haben soll, Biermann ein solches Forum zu bieten, schließlich ist der 77-Jährige einer der wortmächtigsten Kritiker der Linkspartei und schont die Abgeordneten nicht, die in der Vergangenheit mit der Staatssicherheit zusammenarbeiteten. Hat sie auch nicht. Und so wurde die SED-Nachfolgepartei wohl ausgetrickst. Und zwar vom Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Der CDU-Politiker nutzte dazu geschickt die Geschäftsordnung des Bundestags – was die Linke tüchtig ärgert.

Als im Ältestenrat, dem Gremium, das auch Feierstunden im Bundestag vorbereitet, über den Mauerfall nachgedacht wurde, blockierten sich die Fraktionen. Die Grünen hätten gern Marianne Birthler, die ehemalige Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde, als Ehrengast gesehen. Die Union wollte lieber Sabine Bergmann-Pohl, die erste frei gewählte Volkskammerpräsidentin der DDR. Man einigte sich darauf, keinen Ehrengast einzuladen und stattdessen je einen Redner aus jeder im Parlament vertretenen Partei sprechen zu lassen. Lammert aber merkte an, es müsse der Feierlichkeit wegen wenigstens ein besonderes Rahmenprogramm geben. Er schlug vor, Ausschnitte aus einem Film einzuspielen, der bereits bei den Einheitsfeierlichkeiten am 3. Oktober gezeigt worden war. Alle stimmten zu.

Die übertölpelte Petra Sitte musste sich schwere Vorwürfe ihrer Partei anhören

Dann aber sagte Lammert eher beiläufig man könne sich auch noch um einen Musikbeitrag bemühen. Sein Nachsatz, er könne vielleicht Wolf Biermann fragen, ging schon fast unter. Zumal ihn die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, scherzhaft mit dem Gegenvorschlag konterte, Clueso – ein junger Musiker aus Erfurt – käme auch infrage. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Petra Sitte, hörte schweigend zu. Der Bundestagspräsident aber Schritt zur Tat. Er lud nicht Clueso ein, sondern Biermann. Der nahm die Einladung an. Die Linke schäumte vor Wut. Aber sie kann nichts machen. Offiziell ist die Feierstunde nur eine „verabredete Debatte“, und das musikalische Rahmenprogramm ist tatsächlich eine Domäne des Bundestagspräsidenten. Die übertölpelte Petra Sitte musste sich schwere Vorwürfe anhören. Gleichzeitig schwor die Linken-Fraktionsführung ihre Abgeordneten ein, sich nicht über den Biermann-Auftritt zu beschweren, um dem DDR-Kritiker nicht zusätzliche Publizität zu verleihen.

Doch auch dieses Vorhaben scheiterte. Diether Dehm will einen offenen Brief an Biermann verschicken. „Biermann wird wieder heldenhaft versuchen, unsere Leute als Stasi-Spitzel zu entlarven. Ich möchte ihn auffordern, stattdessen seine alten Lieder zu singen“, sagte der Linken-Abgeordnete. Er will Biermann dessen Song „So oder so, die Erde wird rot“ vorschlagen, indem der Sänger in den 1970er-Jahren zur Gründung einer kommunistischen Partei nach italienischem Vorbild aufrief. Dehm, der einst Biermanns Manager in Westdeutschland war, berichtete damals über den Sänger – der Staatssicherheit in der DDR.