51 Staaten unterzeichnen in Berlin ein Abkommen zum Austausch von Finanzdaten

Berlin. Uli Hoeneß fühlte sich sicher. Alice Schwarzer wohl auch. Beide hatten Geld auf geheimen Konten in der Schweiz gebunkert, die fälligen Steuern auf Zinsgewinne aber nicht gezahlt. Der eine, früher Präsident des FC Bayern München, sitzt heute im Gefängnis. Die andere musste Steuerschulden in erheblicher Höhe nachzahlen. Sie sind zu Synonymen geworden für wohlhabende Bundesbürger, die ihr Geld am Fiskus vorbei in der Schweiz vermehrten. Vor allem aber gaben sie ein beredtes Beispiel dafür ab, dass niemand mehr sicher ist vor den Steuerfahndern.

Seit die Finanzbehörden Daten-CDs von ehemaligen Mitarbeitern Schweizer, Liechtensteiner oder Luxemburger Finanzinstitute aufkaufen, geht bei Steuerhinterziehern die Angst um. Zehntausende haben ihr Geld am Fiskus vorbei ins Ausland gebracht. Jeder hat Angst, entdeckt zu werden. Hat Angst vor Gerichtsverfahren und dem eigenen Bild in der Zeitung. 56.000 Menschen haben deshalb allein in den vergangenen beiden Jahren eine Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt abgegeben, haben sich ehrlich gemacht, um straffrei davonzukommen. Der Rest harrt der Dinge.

Für sie wird es ab jetzt schwerer. Der Grund: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält in Berlin seine Berlin Tax Conference 2014 ab. Vertreter von 51 Staaten setzen dort ihre Unterschrift unter ein Dokument, das den automatischen Austausch von Steuerdaten auf internationaler Ebene vorsieht. Weitere werden folgen. Für Steuerhinterzieher bleibt kaum noch ein Versteck. Schäuble sprach von einem wirkungsvollen Schritt. „Steuerhinterziehung wird sich damit nicht mehr lohnen.“

Angefangen hatte alles mit den USA. Die Amerikaner, ermüdet von der Hinhaltetaktik der Schweizer Banken, machten Druck auf die Eidgenossen. Entweder das Steuergeheimnis falle, oder die Banken bekämen ernsthafte Probleme auf dem US-Markt. Der Druck wurde so groß, dass die Schweiz und deren Finanzinstitute gegenüber Washington einknickten. Sie unterschrieben ein FATCA-Abkommen, das die Offenlegung relevanter Daten gegenüber den Amerikanern vorsieht. Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nahm diese Entwicklung früh zum Anlass, den Schweizern mit der „Kavallerie“ zu drohen, sollte gleiches Recht nicht künftig auch in Europa gelten. Schäuble, deutlich feinfühliger als sein Vorgänger, wollte mit Bern zunächst ein Abkommen schließen, das den Steuerflüchtigen das Recht auf Anonymität gelassen hätte. Politisch war das in Deutschland nicht vermittelbar. Die SPD blockierte im Bundesrat. Nun kommt die große Offenbarung für alle: der neue OECD-Standard. Noch unterschreibt ihn die Schweiz nicht, lange aber werde es nicht mehr dauern, ist man in Berlin überzeugt.

Kürzlich hatten sich die EU-Staaten erst einmal auf eine Neufassung der EU-Amtshilferichtlinie geeinigt. Sie sieht den automatischen und verpflichtenden Informationsaustausch über Zinsgewinne vor. Finanzämter, die künftig Zinsgewinne samt Kontoinhaber und Kontostand gemeldet bekommen, wissen genau, woran sie sind, wenn der Steuerpflichtige diese Bankverbindung bislang bei der Steuererklärung verschwiegen hat. Innerhalb der EU gibt es damit kein Bankgeheimnis mehr. Und außerhalb bald auch nicht mehr. Dafür sorgt der neue OECD-Standard. Zinsen, Dividenden, Kontosalden, Einkünfte aus Versicherungen, Erlöse aus Vermögensverkäufen – nichts bleibt mehr verborgen, auch keine Trusts und Stiftungen. Banken, Makler, Fonds, Versicherungen – jedes Land muss die Daten an die zuständigen zentralen Steuerstellen der anderen Länder melden, die diese an die Finanzämter weiterreichen. Erstmals werden die Daten im September 2017 für das Jahr 2016 automatisch erhoben.

Wer sich bis jetzt noch nicht ehrlich gemacht hat, für den wird es nun in zweifacher Hinsicht eng. Bis 2017 müssen Steuerhinterzieher weiterhin damit rechnen, dass frustrierte Ex-Banker, die einst Tausende Euro für die Geheimhaltung persönlicher Daten kassiert haben, diese nun für Millionensummen an deutsche Finanzbehörde verkaufen. Und hat der Fiskus die Informationen erst gesichtet, ist es für die strafbefreiende Selbstanzeige zu spät. Gleichzeitig rückt der automatische Informationsaustausch immer näher. Wer bis dahin nicht ehrlich seine Sünden gebeichtet hat, wird wohl nicht ohne Strafe davonkommen. Zumal es kein Wunder wäre, wenn mit dem Bankgeheimnis auch die strafbefreiende Selbstanzeige wegfiele.