Im Streit um die Finanzen kommt ein alter Vorschlag neu ins Spiel: die Zusammenlegung von Bundesländern

Berlin. Bis zum 11. Dezember dieses Jahres sollte alles stehen. Im Hauruckverfahren wollten Bund und Länder ihre Finanzbeziehungen neu regeln. Der Zeitdruck sollte dafür sorgen, dass sich der Bund und die 16 Länder zusammenraufen, nicht zu viel taktieren und die Interessen der anderen im Blick behalten. Der Plan darf als gescheitert bezeichnet werden. Eine Einigung ist in weiter Ferne. Die Verhandlungen könnten sich sogar bis 2016 ziehen.

Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) schlägt deshalb nun Alarm. Weil die Verhandlungen zu den Bund-Länder-Finanzen so schleppend verlaufen, brachte sie einen Vorschlag ins Gespräch, der bislang gar nicht auf der Agenda stand: eine Fusion von Bundesländern. Die CDU-Politikerin sagte, sollten die Gespräche scheitern, würde die jetzige föderale Ordnung infrage gestellt. Dann müsse darüber gesprochen werden, „ob es künftig nur noch sechs oder acht Bundesländer gibt statt der bisherigen 16 Länder“.

Damit hatte die CDU-Politikerin in ein Wespennest gestochen. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) reagierte mit Unverständnis auf seine saarländische Amtskollegin: „Länderfusionen lösen nicht die Probleme von hoch verschuldeten Ländern“, sagte Tillich und fügte hinzu: „Mit wem sollte dann zum Beispiel Nordrhein-Westfalen fusionieren?“

Die stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke (Grüne), lehnte eine Fusion ebenfalls ab. „Wir verschließen uns keinem konstruktiven Vorschlag, der die Zukunftsfähigkeit der Länder festigt. Eine Neuordnung der Länder unter rein fiskalischen Aspekten wird aber sicherlich scheitern“, sagte Lemke. „Für eine derart umfassende Veränderung müssen wir die Herzen der Bürger erreichen.“ Die Größe der Länder sei keine Garantie für ihre Leistungsfähigkeit.

Die innerstaatlichen Finanzströme zwischen dem Bund und den Ländern und der Länder untereinander müssen neu geordnet werden, weil 2019 der Solidarpakt II für den Aufbau Ost und der Länderfinanzausgleich auslaufen. Der milliardenschwere Steuer-Umverteilungsmechanismus soll für annähernd gleichwertige Lebensverhältnisse bundesweit sorgen. Außerdem greift ab 2020 die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse für die Länder, die den Länderchefs die Aufnahme neuer Verbindlichkeiten untersagt.

Im Rahmen der Bund-Länder-Verhandlungen stehen alle möglichen Vorschläge auf der Tagesordnung – die Zusammenlegung von Bundesländern gehörte bislang nicht dazu. Dass gerade aus dem kleinsten Flächenstaat Saarland die Forderung nach Fusionen kommt, ist pikant: Das Saarland wäre mit das erste Land, das bei einer Neuordnung unter die Räder kommt und in Rheinland-Pfalz aufgehen würde. Kramp-Karrenbauer versuchte nach ihren Äußerungen in der „Süddeutschen Zeitung“ denn auch zurückzurudern. Für eine Neuordnung der Bundesländer sehe sie „keine große Begeisterung“, sagte sie. Sie habe lediglich vor einem Scheitern warnen wollen. „Umso mehr müssen wir jetzt eine Lösung bei den Finanzverhandlungen finden, denn wir stoßen beim Sparen inzwischen immer mehr an die Grenze.“

Planspiele für die Zusammenlegung von Bundesländern gibt es viele, etwa vom Geografieforscher Werner Rutz. Er hatte schon Mitte der 90er-Jahre eine Radikalreform vorgeschlagen. Danach sollte Deutschland nur aus sechs oder acht Ländern bestehen, die Länder trugen so lustige Namen wie „Schwaben-Pfalz“. Allerdings haben solche Ideen den Weg in die Politik nicht mehr gefunden, seit 1996 eine Zusammenlegung von Berlin und Brandenburg an einem Volksentscheid scheiterte.

Jeder Politiker, der seither einen Zusammenschluss von Ländern forderte, holte sich eine blutige Nase. 2013 brachte etwa Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, ein „Mitteldeutschland“, bestehend aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ins Spiel. Doch der Magdeburger Regierungschef hatte die Rechnung ohne seine Amtskollegen in Dresden und Erfurt gemacht. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) reagierte ebenso entsetzt wie Sachsens Regierungschef Tillich. Fakt ist allerdings auch, dass gerade die kleinen Länder wie Bremen oder das Saarland ohne fremde Hilfe nicht überlebensfähig sind. Das Saarland drängt deshalb darauf, im künftigen Länderfinanzausgleich eine Regelung für die Altschulden aus der Zeit der Umstrukturierung der Montanindustrie zu finden. Darauf drängen auch andere hoch verschuldete Länder wie Nordrhein-Westfalen, das mit fast 140 Milliarden Euro auf den meisten Altschulden aller Länder sitzt. Reiche Länder wie Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen lehnen einen Altschuldenfonds jedoch ab. Tiefe politische Gräben verlaufen aber nicht nur zwischen Arm und Reich, sondern auch zwischen Stadt- und Flächenstaaten sowie Ost und West.

Hinzu kommen etliche Sonderinteressen einzelner Länder. So beharrt Nordrhein-Westfalen auf einer Neuregelung der Umsatzsteuerverteilung, wie aus einem Positionspapier des NRW-Finanzministeriums hervorgeht. Dieses wird vor dem eigentlichen Länder-Finanzausgleich in die finanzschwachen Länder umverteilt. Die Folge ist, dass NRW ein Drittel seines Umsatzsteueraufkommens verliert, rund 2,37 Milliarden Euro. NRW liegt – gemessen an seinen Steuereinnahmen – eigentlich auf Platz fünf der 16 Länder. Nach der Umverteilung steht es auf dem letzten Platz. NRW hat also gute Gründe, den Umsatzsteuervorausgleich zu kippen. Nur: Fast alle anderen Länder wollen den Ausgleich nicht antasten.

In einem Anhang zum Positionspapier betont die Landesregierung in NRW auch ihre Sparanstrengungen. Die rot-grüne Landesregierung habe die Nettoneuverschuldung um 66 Prozent abgesenkt. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung liege das Land unter den 16 Ländern im Mittelfeld. Mit 22,3 Stellen je Einwohner habe es die zweitniedrigste Zahl an Beschäftigten im öffentlichen Dienst aller Länder und mit 3375 Euro sogar die geringsten Pro-Kopf-Ausgaben. Doch der Haushalt in NRW hat auch eine andere Seite. Das bevölkerungsreichste Bundesland nimmt die meisten neuen Kredite auf, das Landesverfassungsgericht hat eine überhöhte Schuldenaufnahme gerügt. NRW hat zudem bundesweit eine der niedrigsten Investitionsquoten.