Welche Rüstungsgüter Deutschland ins Ausland verkauft hat, das erfährt die Öffentlichkeit weiterhin erst nachträglich

Berlin. Am Wortlaut der Verfassung führte für das Bundesverfassungsgericht kein Weg vorbei. Die Karlsruher Richter, ansonsten Garanten für eine Stärkung der Parlamentsrechte, stärkten diesmal die Regierung. Es ging um den Handel mit Rüstungsgütern. Nach Artikel 26 Absatz zwei des Grundgesetzes dürfen „zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden“. Im Rahmen der Gewaltenteilung gehören Rüstungsexporte also zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Das Parlament wird anschließend über erteilte Genehmigungen informiert.

Die drei Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Claudia Roth und Katja Keul scheiterten in Karlsruhe nun mit dem Versuch, dieses Verfahren grundsätzlich zu ändern. Die Grünen-Politiker wollten mit ihrer Organklage vor dem obersten deutschen Gericht erreichen, dass das Parlament bereits vor einer Entscheidung über geplante Rüstungsgeschäfte Auskunft erhält, um seine Kontrollfunktion effektiver wahrnehmen zu können. Doch daraus wird nichts. „Die parlamentarische Kontrolle erstreckt sich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge“, urteilte der Zweite Senat. Eine Antwortpflicht der Bundesregierung auf noch nicht abgeschlossene Exportverfahren – also beispielsweise Voranfragen von Industrieunternehmen, ob ein Ausfuhrvorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig wäre – ermöglichte „dem Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegt“, führen die acht Richter aus. Dadurch würde die Kontrollaufgabe des Parlaments in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm nach den Grundsätzen der Gewaltenteilung nicht zukomme (Az.: 2BvE 5/11).

Das Urteil manifestiert mithin die gängige Rüstungsexportpraxis. Die Entscheidungen über Waffenausfuhren werden auch künftig im geheim tagenden Bundessicherheitsrat vorbereitet, der sich aus der Kanzlerin und sieben Bundesministern zusammensetzt. Wie und warum dieser vertrauliche Zirkel zu seinen Beschlüssen kommt, darüber wird das Parlament weiterhin nichts erfahren. Karlsruhe begründete das neben der Berufung auf das Prinzip der Gewaltenteilung auch mit dem Schutz des Staatswohls und der Wahrung von Grundrechten Dritter. Ein vorzeitiges Bekanntwerden von Rüstungsgeschäften könne nämlich auch die Spielräume in der Außenpolitik verengen, stellten die Richter fest. Zudem sei nicht auszuschließen, dass ein drittes Land oder ausländische Konkurrenten das Geschäft zu verhindern versuchten. Damit wäre das Grundrecht der Berufsfreiheit von Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie verletzt. Das Gericht betonte weiter, die „Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens“ sei ein „legitimes staatliches Ziel“.

Recht bekamen die Kläger lediglich mit der konkreten Rüge, dass die Bundesregierung schriftliche Anfragen von Ströbele und Keul im Jahr 2011 hätte beantworten müssen. Damals wollten die Grünen wissen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien und die Ausfuhr von weiteren Rüstungsgütern nach Algerien genehmigt habe. Die Regierung, urteilte Karlsruhe, sei verpflichtet, dem Auskunftsbegehren von Parlamentariern über Bewilligung oder Ablehnung eines bestimmten Rüstungsgeschäfts nachzukommen. Weitere Angaben, etwa zur Begründung der Entscheidung des Bundessicherheitsrats, müsse die Exekutive allerdings nicht machen.

Der Wert des Urteils für das Parlament hält sich in Grenzen. Denn die schwarz-rote Koalition hatte sich ohnehin bereits verpflichtet, den bislang jährlich erscheinenden Rüstungsexportbericht künftig durch einen halbjährlichen Zwischenbericht zu ergänzen. Union und SPD sagten außerdem zu, die zuständigen Bundestagsausschüsse künftig binnen zwei Wochen über genehmigte Waffengeschäfte zu unterrichten – das ist ein höheres Maß an Transparenz, als es von Karlsruhe verlangt wird. Das Verfassungsgericht billigte der Regierung sogar zu, „aus Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die Antwort auf die Frage“ zu verweigern, ob eine Genehmigung erteilt wurde. Nähere Ausführungen, in welchen Fällen dies möglich wäre, machte Karlsruhe nicht.

Vertreter der Bundesregierung zeigten sich zufrieden. Die Koalition sei mit ihrem Ansatz für mehr Transparenz bei Rüstungsexporten „auf dem richtigen Weg“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums und verwies auf den vergangene Woche vorgestellten Zwischenbericht zu Rüstungsexporten.