Thüringer SPD-Spitze spricht sich für ein rot-rot-grünes Bündnis aus und beansprucht vier Ministerposten

Erfurt . Thüringens SPD-Spitze will eine Koalition mit der Linkspartei und den Grünen eingehen. Das entschied der erweiterte Landesvorstand am Montagabend. Zuvor hatte der Geschäftsführende Vorstand bereits dem Landesvorstand, den Kreisvorsitzenden und den Landtagsabgeordneten seine einstimmige Festlegung auf Rot- Rot-Grün mitgeteilt. Damit ist der Spitzenkandidat der Linkspartei, Bodo Ramelow, seinem Ziel, der erste linke Ministerpräsident in der Geschichte der Bundesrepublik zu werden, einen wichtigen Schritt nähergekommen.

Nun haben die rund 4300 SPDMitglieder das Wort, die bis Anfang November über die Empfehlung des Landesvorstands abstimmen sollen. Das Verfahren soll bereits am heutigen Dienstag beginnen. Erst nach dem Mitgliedervotum sind offizielle Koalitionsverhandlungen möglich. Mit einer neuen Regierung wird voraussichtlich im Dezember gerechnet.

Unmittelbar vor Beginn der gestrigen Sitzung hatte SPD-Verhandlungsführer Andreas Bausewein bei den Inhalten von einem „leichten Vorsprung“ für Rot-Rot-Grün gesprochen. Was dann auf elektronischen Mitteilungswegen während der Sitzung aus dem Saal drang, bestätigte: Die SPD will mit Linken und Grünen in offizielle Koalitionsverhandlung einsteigen, die Regierung mit der CDU soll nicht fortgesetzt werden.

Nach einem Bericht der Zeitung „Thüringer Allgemeine“ sprachen sich fast alle Redner dafür aus, erstmals in Deutschland einen linken Ministerpräsidenten zu wählen. Nur aus den Kreisverbänden Eisenach und Altenburg gab es zögerlichen Widerstand. Ob man wirklich, 25 Jahre nach der Entmachtung der SED, der Nachfolgepartei in die Regierung verhelfen solle? Die Antwort lautete Ja. Die Entscheidung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit Linkspartei und Grünen fiel dann einstimmig – und wurde, einige Minuten nachdem sich am Abend die Türen des Sitzungssaals im Erfurter Radisson-Hotel geschlossen hatten, der erweiterten Parteiführung anempfohlen. Als wichtige rot-rot-grüne Schnittmengen bezeichneten führende Sozialdemokraten die Abschaffung des Landeserziehungsgeldes zugunsten eines gebührenfreien Kita-Jahres, die Gebietsreform oder die Einführung des Wahlalters ab 16.

Die Grünen kündigten unterdessen harte Koalitionsverhandlungen mit der Linkspartei und der SPD an. Für eine „grüne Handschrift“ werde ihre Partei auch in Koalitionsverhandlungen „ganz stark kämpfen müssen“, sagte Grünen- Fraktionschefin Anja Siegesmund. Die Gespräche zwischen Rot-Rot-Grün würden „sicher kein Spaziergang“. Die Grünen-Politikerin verwies dabei auf eine bessere Finanzierung der freien Schulen, eine deutliche Einschränkung der Massentierhaltung oder das Bekenntnis zur Schuldenbremse in einem Koalitionsvertrag.

Nach Angaben von Grünen-Landessprecher Dieter Lauinger fordert seine Partei mindestens zwei Ministerien in einer Koalition: „Es wird keine Regierung geben mit nur einem grünen Kabinettsmitglied.“ Das Umweltressort müsse auf alle Fälle an die Grünen gehen. Grünen-Fraktionschefin Siegesmund kritisierte, dass die SPD bei den mehr als fünfwöchigen rot-rot-grünen Sondierungsgesprächen viele ihrer Maximalforderungen durchsetzen konnte: „Bei den Gesprächen hatten wir gelegentlich den Eindruck, dass die SPD von der Linken alles auf dem Silbertablett bekam.“

Eine rot-rot-grüne Koalition hätte – genau wie ein schwarz-rotes Bündnis – nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Die SPD, die bei der Landtagswahl am 14. September von 18,5 auf 12,4 Prozent der Stimmen abgestürzt war und ein Drittel ihrer Landtagsmandate verlor, hatte als drittstärkste Partei sowohl mit der CDU als auch mit der Linken und den Grünen sondiert – und sich so teuer wie möglich verkauft. Sie verhandelte so lange, bis sich die Ergebnisse unabhängig davon, ob nun Rot-Rot- Grün oder Schwarz-Rot darüber steht, wie ein sozialdemokratisches Wahlprogramm lesen.

Auch was die Postenverteilung angeht, holten Bausewein und seine Mitverhandler das Maximum heraus. Am vergangenen Wochenende traf er sich insgeheim mit der CDU-Vorsitzenden Christine Lieberknecht. Die Ministerpräsidentin sichert dem Demnächst- Parteichef zu, dass die SPD in einer Neuauflage der schwarz-roten Regierung wie bisher vier Ministerposten beanspruchen könnte.

Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow, der Lieberknechts Gabe des Gebens kennt, hatte da schon vorgesorgt und Bausewein ebenfalls das halbe Kabinett angetragen. Grünen-Landeschef Dieter Lauinger, der auch dabei ist, dringt da mit seiner Forderung nach zwei Ministerien nur halb durch. Eine Absage bekommt aber auch er nicht.

In der SPD-Spitze wurde betont, dass der nun eingeschlagene Kurs durchgezogen werde. „Wir werden danach nicht mehr die Fronten wechseln“, hieß es. Sollte diese Marschroute nicht zu einer stabilen Landesregierung führen, müsse man sich auf Neuwahlen einstellen.

Ministerpräsidentin Lieberknecht appellierte noch am Abend an die SPD-Mitglieder im Land, Rot-Rot-Grün noch zu verhindern. „Sie haben es nun in der Hand, der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen und zu verhindern, dass Thüringen sich durch eine von der Linken geführte Regierung ins Abseits manövriert“, erklärte Lieberknecht.