Mindestens zwölf Monate Wartezeit vor Wechsel in Wirtschaft. Koalitionsausschuss tagt in erweiterter Runde

Berlin . Mitglieder der Bundesregierung sollen künftig mindestens zwölf Monate warten müssen, bevor sie nach dem Ausscheiden aus der Politik einen Job in der Wirtschaft annehmen, in besonderen Fällen auch bis zu 18 Monaten. Darauf hätten sich die Fraktionsspitzen von Union und SPD verständigt, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der „Frankfurter Rundschau“. „Es ist eine Regelung mit Augenmaß“, sagte Oppermann. „Berufstätigkeit von ausgeschiedenen Ministern wird dann beschränkt, wenn Interessenkonflikte bestehen.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte, in den meisten Fällen sei dies aber nicht der Fall. „Es geht nicht um Berufsverbote, sondern um Interessenkonflikte“, sagte er.

Nach der Vereinbarung müssen Minister und parlamentarische Staatssekretäre unverzüglich anzeigen, wenn sie eine Erwerbstätigkeit außerhalb des Parlaments oder des öffentlichen Dienstes aufnehmen wollen. Die Bundesregierung entscheidet dann im Kabinett, ob eine Karenzzeit einzuhalten ist. „Die Bundesregierung muss nun die Einzelheiten des Gesetzesentwurfes erarbeiten“, sagte Oppermann. Wie ein Sprecher der SPD-Fraktion bestätigte, sieht die Einigung mit der Union vor, dass eine Wartefrist nicht verordnet wird, wenn bei Würdigung aller Umstände die Gefahr von Interessenkonflikten nicht zu befürchten sei. In allen anderen Fällen solle die Karenzzeit je nach Einzelfall in der Regel bis zu zwölf Monaten dauern. Die Bundesregierung entscheide darüber auf „Vorschlag eines beratenden Gremiums aus anerkannten Persönlichkeiten“.

Die schwarz-rote Koalition reagiert damit auf die Kritik nach prominenten Wechseln von der Politik in die Wirtschaft. Schlagzeilen hatte unter anderem der frühere Kanzleramtschef Roland Pofalla (CDU) gemacht, der zum 1. Januar 2015 zum Management der Deutschen Bahn wechselt, die dem Bund gehört. Der Entwicklungsminister der schwarz-gelben Koalition, Dirk Niebel, wurde vom Rüstungskonzern Rheinmetall angeheuert. Er soll im Januar 2015 Cheflobbyist des Unternehmens werden. Pikant ist daran vor allem, dass Niebel auch im Bundessicherheitsrat saß – dem Kabinettsausschuss, der über Rüstungsexporte entscheidet. Erst vorige Woche wurde bekannt, dass der frühere FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr zum 1. November zur Allianz Private Krankversicherung wechselt. Auf Landesebene machten auch SPD-Politiker von sich reden: Der schleswig-holsteinische Innenminister Andreas Breitner, der auch für Wohnungsbau zuständig war, hatte vor Kurzem seinen Rücktritt erklärt, um 2015 zu einem Wohnungsunternehmerverband zu wechseln.

Eines ihrer Probleme hat die Koalition also gelöst. Andere wollte sie am Abend im Koalitionsausschuss besprechen. Bisher regelten die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD Streitfragen im kleinen Kreis. Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel baten nicht einmal ihre Fraktionsvorsitzenden hinzu. Zum ersten Mal tagt das Gremium nun in großer Runde. Die Generalsekretäre, die Fraktionsvorsitzenden und sogar die parlamentarischen Geschäftsführer sind dieses Mal eingeladen. Die Kanzlerin hätte auf dieses Treffen gern verzichtet. Merkel ist traumatisiert von den schwarz-gelben Koalitionsausschüssen. Die Treffen wurden mit großem Tamtam angekündigt und oft zu Machtproben erklärt. Nach den langen Nachtsitzungen rangen vor allem FDP und CSU anschießend auch öffentlich darum, wer wem was abgetrotzt hatte. Viel Aufmerksamkeit, wenig Ertrag – so etwas hasst Merkel.

Die Kanzlerin hätte lieber weiter Sechsaugengespräche geführt. Allein ihrem sozialdemokratischen Konterpart fehlt die Kraft dazu. Dem Vernehmen nach stand SPD-Chef Gabriel so stark unter dem Druck seiner Hintersassen, dass die Runde erweitert werden musste. Es ist formal der erste Koalitionsausschuss von Schwarz-Rot. CSU-Chef Seehofer wollte über Digitales und Energie reden, aber nicht über das Thema Verkehr. Bis Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sein Mautkonzept vorlegt, soll das Thema möglichst gemieden werden, so das Kalkül. Weder Dobrindt noch sein Gegenspieler im Kabinett, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), hatten eine Einladung zum Koalitionsausschuss erhalten.

Unklar blieb auch, in welcher Form das aktuell wichtigste Thema im politischen Berlin, der Zustand und die Aufgaben der Bundeswehr, zur Sprache kommen sollte. Ebenfalls unter Druck dürfte Seehofer geraten. Seine Verschleppung der Entscheidung über den Bau wichtiger Stromtrassen in Bayern nervt nicht nur die SPD, sondern auch die Teile der CDU, denen an der Energiewende liegt. Gemeinsam will Schwarz-Rot darüber nachdenken, wie mit sich verdüsternden Konjunkturaussichten umgegangen werden soll. Merkel und Gabriel wollen beide das Signal senden, dass nach einem von neuen Ausgaben geprägten ersten Jahr der Koalition nun eine Phase folgen solle, die vor allem im Zeichen des „Erwirtschaftens“ stehen soll.