Noch immer ist unklar, ob der Neonazi enge Verbindungen zum Umfeld des Terror-Trios hatte

Hamburg. Für die Verfassungsschützer in Hamburg ist der nun in den Fokus der Bundesanwälte geratene V-Mann eine wichtige Quelle, um über die rechtsextreme Musikszene auf dem Laufenden zu bleiben. Das Landesamt schickte den Spitzel seit 2008 auf Konzerte, er sammelte massenhaft Alben mit rassistischer Neonazi-Musik. Doch im Februar entdeckte der Informant in einem Stapel aus DVDs einen brisanten Datenträger. Das Titelbild der Datei zeigt eine Pistole. Und eine Aufschrift: „NSU/NSDAP“. Laut Begleittext handelte es sich bei dem Datenträger um „die erste umfangreiche Bilddaten-CD des Nationalsozialistischen Untergrunds der NSDAP (NSU)“. Bisher ist ungeklärt, ob es eine Verbindung zur Terrorgruppe NSU gibt.

Der Hamburger V-Mann will die CD bereits 2006 von Thomas R. erhalten haben, Deckname „Corelli“ und Spitzel des Bundesamtes für Verfassungsschutz. „Corelli“ soll sich im Umfeld der Neonazi-Gruppe NSU bewegt haben, die für zehn Morde zwischen 2000 und 2007 verantwortlich sein soll. Der enttarnte Informant Thomas R. starb im Frühjahr überraschend an einer unerkannten Diabetes-Erkrankung, wie es offiziell hieß. Befragt werden konnte er zu der DVD nicht mehr.

Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) hat nach Informationen des Abendblatts nun den Hamburger V-Mann, der von „Corelli“ den Datenträger erhalten hatte, vernommen. Zu der Zeugenvernehmung äußern sich weder GBA noch Landesamt. Im Innenausschuss des Bundestags wurde am Mittwoch der Chef der Hamburger Verfassungsschutzes, Torsten Voß, zur CD und der Quelle befragt. Ein Teil der Sitzung lief geheim ab.

Nach Informationen des Abendblatts hatte die Hamburger Quelle zu „Corelli“ mehrere Kontakte zwischen 2005 und 2009. Insgesamt soll der V-Mann fünf CDs von „Corelli“ erhalten haben. Kurz bevor „Corelli“ von den Ermittlern tot in seiner Wohnung in Paderborn gefunden worden war, soll er eine SMS erhalten haben. Ein gewisser „Tommy“ habe sich erkundigt, wie es ihm gehe. Wie im Innenausschuss nun herauskam, wurden die Handyverbindungen und die E-Mails des toten V-Manns zwar ausgewertet, aber weder durch das Bundeskriminalamt oder die Staatsanwaltschaft Bielefeld weiter verfolgt. „Corelli“ hatte vier Handys.

Die Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Schneider (Linke) und Antje Möller (Grüne) verfolgten die Sitzung im Bundestag. Noch immer seien die Verbindungen der V-Leute in die bundesweit vernetzte Neonazi-Szene unzureichend geklärt, kritisieren beide. Auch in Mecklenburg-Vorpommern entdeckten Ermittler bei einer Durchsuchung eine identische CD. Ist die CD über den NSU ein Hinweis darauf, dass „Corelli“ und die Hamburger Quelle mehr wussten über das damals untergetauchte Neonazi-Trio?

Der Verfassungsschutz will die Identität des V-Manns nicht preisgeben. Man habe sich aber einer Vernehmung des Informanten durch die GBA nie gesperrt. Auch das wollte Landesamt-Chef Voß bei seiner Befragung im Bundestag deutlich machen. Seit Bekanntwerden der NSU-Mordserie stehen die Sicherheitsbehörden in der Kritik. Nicht nur konnten die Verfassungsschützer in Thüringen trotz zahlreicher V-Leute in der Szene die Mordserie nicht aufdecken, es steht auch der Verdacht im Raum, dass der Einsatz der Spitzel zum Erstarken der rechten Gruppen beigetragen hat. Wie stark die Verstrickungen der V-Leute in den Aufbau von neonazistischen Organisationen im Umfeld des NSU gewesen sind, zeigen die Aussagen des früheren Thüringer V-Manns Tino Brandt. Der „Thüringer Heimatschutz“ (THS), aus dessen Umfeld die Terrorzelle NSU entstand, konnte nach Brandts Angaben nur durch Verfassungsschutz-Gelder zu seiner einstigen Größe heranwachsen.