Die Bundesbürger können im neuen Jahr mit Entlastungen in zweistelliger Milliardenhöhe rechnen. Die wichtigsten Änderungen im Überblick.

Hamburg. VERBRAUCHERSCHUTZ

Ab 1. Januar müssen Banken Beratungsgespräche über Geldanlagen protokollieren und das Protokoll dem Kunden aushändigen. Damit sollen Verbraucher mehr Möglichkeiten haben, eine falsche Beratung nachzuweisen. Schadenersatzansprüche nach Falschberatung verjähren nicht mehr wie bisher drei Jahre nach Vertragsschluss. Die Frist beginnt erst, wenn der Anleger vom Schaden erfährt - endet allerdings nach zehn Jahren.

ENERGIE

Intelligente Zähler für den Strom- und Gasverbrauch werden Pflicht. Sie sollen unnötigen Energieverbrauch erkennen und vermeiden helfen - damit Geld und auch das Ablesen ersparen.

KRANKENKASSENBEITRÄGE: Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung können bis zu bestimmten Grenzen von der Steuer voll abgesetzt werden. Das reduziert das zu versteuernde Einkommen. Arbeitnehmer werden damit um rund 9,5 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Der Steuerbonus fällt für Geringverdiener sogar großzügiger aus als zunächst geplant. So sind Beiträge für die Arbeitslosen-, Haftpflicht-, Unfall- und Berufsunfähigkeits-Versicherung auch künftig absetzbar, sofern die künftigen Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen durch die Kranken- und Pflegekassenbeiträge noch nicht ausgeschöpft sind. Die Höchstgrenzen betragen 1900 Euro (für Arbeitnehmer und Beihilfeberechtigte) und 2800 Euro (für Steuerpflichtige, die ihre Krankenversicherung allein tragen). Darüber hinaus können mindestens die tatsächlich geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung angesetzt werden.

GRUNDFREIBETRAG

Der steuerliche Grundfreibetrag steigt zum Januar von jährlich 7834 Euro auf 8004 Euro für Alleinstehende. Wer unter diesem Einkommen liegt, muss keine Steuern zahlen. Der erste Steuersatz für Ledige mit 14 Prozent beginnt also bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen ab 8005 Euro.

TARIFKURVE

Eine gewisse Steuerentlastung gibt es auch, weil alle Eckwerte in der Tarifkurve nochmals verschoben werden. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent etwa greift dann also erst ab 52 882 Euro und nicht - wie zuletzt - bereits ab 52 552 Euro.

FAMILIEN

Der jährliche Kinderfreibetrag steigt von 6024 auf 7008 Euro. Das monatliche Kindergeld wird um je 20 Euro erhöht - also auf 184 für das erste und zweite Kind, auf 190 Euro für das dritte Kind und auf je 215 Euro für das vierte sowie weitere Kinder.

UNTERHALT

Der Höchstbetrag für gesetzlich vorgeschriebene Unterhaltsleistungen, der steuerlich geltend gemacht werden kann, steigt von 7680 auf 8004 Euro. Aber auch Millionen von Scheidungs- und Trennungskindern erhalten einen höheren Anspruch. Die genauen Sätze der bundesweit geltenden "Düsseldorfer Tabelle" werden am 6. Januar veröffentlicht. Nach Schätzungen von Fachanwälten sollen die Unterhaltssätze um durchschnittlich 13 Prozent steigen. Das Finanzamt erkennt künftig auch Ausgaben für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Grundversorgung des geschiedenen oder getrennt lebenden Ehepartners an, die über der Höchstgrenze liegen.

ELTERNGELD

Das Elterngeld kann höher ausfallen, wenn sich die werdenden Mütter und Väter vor der Geburt für eine andere Steuerklasse entscheiden. Der Wechsel ist erlaubt. Ist das Netto höher, erhält man in der Zeit des Elterngeldbezuges mit Kind eine höhere Summe.

EHEGATTEN-BESTEUERUNG

Die bei Ehegatten wegen hoher Abschläge unbeliebte Steuerklasse V wird entschärft. Von 2010 gilt für Doppelverdiener-Ehepaare ein freiwilliges „Faktorverfahren“. Konkret sollen Ehepaare mit unterschiedlich hohem Einkommen nicht nur die Kombination der Steuerklassen III und V wählen, sondern - optional - gemeinsam nach Steuerklasse IV mit Faktor besteuert werden können. Dabei wird der Steuervorteil des Ehegattensplittings bei beiden Eheleuten schon bei der monatlichen Lohnauszahlung und nicht erst später beim Steuerjahresausgleich berücksichtigt. Damit soll sichergestellt werden, dass geringer verdienende Ehegatten nicht mehr so hoch belastet werden wie in der Steuerklasse V. ( Tabelle zum Herunterladen ).

MEHRWERTSTEUER

Zum 1. Januar 2010 gilt für Übernachtungen im Hotel- Gewerbe der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent.

UNTERNEHMENSSTEUER

Elemente der Unternehmenssteuerreform von 2008 werden korrigiert. Einige Punkte: Die „Zinsschranke“ - der Aufwand für Zinsen bei der Berechnung der Steuerlast - wird gelockert. Sanierungsübernahmen werden erleichtert. Bei der Gewerbesteuer soll der Teil der Aufwendungen für Immobilienmieten gekürzt werden, der bei Ermittlung der Gewerbesteuerlast hinzugerechnet und versteuert werden muss.

ERBRECHT

Für Erbschaften gelten von 2010 an neue Regeln. Mit der Reform soll der Wille der Erblasser gestärkt werden. Die Pflege von Eltern und Großeltern wird besser honoriert, die Fristen für die Verjährung von Ansprüchen werden verkürzt. Das neue Gesetz will die möglichen Gründe für eine Enterbung im mehr als 100 Jahre alten Erbrecht den Wertvorstellungen des 21. Jahrhunderts anpassen.

ERBSCHAFTSTEUER: Geschwister, Nichten und Neffen werden entlastet. Für sie soll es einen neuen Stufentarif von 15 bis 43 Prozent geben. Für Firmenerben wird die Jobauflage zur Steuerbefreiung gelockert.

PFLICHTTTEIL

Bisher konnte der Pflichterbteil verweigert werden, wenn der Erbe einen gegen den Willen des Verstorbenen sprechenden Lebensstil hatte. Das entfällt nun, wie der Experte Prof. Klaus Michael Groll (Deutsches Forum für Erbrecht) erklärt. Künftig muss der Erbe für eine Tat zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden sein, um ihm den Pflichtteil entziehen zu können. Hat der Erbe den Verstorbenen, seinen Partner oder eine nahestehende Person angegriffen und verletzt, kann der Pflichtteil ebenfalls weg sein.

PFLEGE

Hat ein Kind oder Enkel den Verstorbenen vor dem Tod gepflegt, kann er eine "Sondervergütung" verlangen, bevor das Erbe aufgeteilt wird. Dazu muss der Pflegende keine Einkommenseinbußen mehr nachweisen.

UNTERNEHMENSERBEN

Für Firmenerben werden die Auflagen für eine Steuerbefreiung gelockert. Führt ein Nachfolger eine Firma fort, bleiben 85 Prozent des begünstigten Betriebsvermögens steuerfrei, wenn die Firma fünf (statt vorher sieben) Jahre weiter besteht und die Lohnsumme nicht unter 400 Prozent der Ausgangssumme gesunken ist. Die Lohnsummenregelung gilt erst ab 20 Mitarbeitern. Für eine Steuerfreiheit gelten sieben Jahre Fortführung der Firma und 700 Prozent der Lohnsumme.

ARBEITSMARKT/KURZARBEITERGELD

Die in der Wirtschaftskrise als Puffer gegen Entlassungen bewährte Kurzarbeiter-Regelung wird um ein Jahr verlängert. Kurzarbeitergeld, das 2010 erstmals beantragt wird, kann dann aber nur noch maximal 18 Monate lang bezogen werden. Aktuell sind es bis zu zwei Jahre.

SOZIALVERSICHERUNG/BEITRAGSBEMESSUNGSGRENZEN

Besserverdiener werden monatlich etwa 18 Euro mehr an Sozialabgaben zahlen müssen. Das bringt die zum Jahreswechsel übliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen mit sich. Sie folgen der Entwicklung der Einkommen. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung steigt die Beitragsbemessungsgrenze um jeweils 100 Euro auf monatlich 5500 Euro im Westen und 4650 Euro im Osten. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung wird die Grenze einheitlich um 75 Euro auf 3750 Euro nach oben verschoben. Oberhalb dieser Grenzen sind keine Sozialabgaben auf das Einkommen fällig.

KÜNSTLERSOZIALVERSICHERUNG

Der Beitragssatz sinkt von 4,4 auf 3,9 Prozent. Die Künstlersozialversicherung schützt mehr als 160 000 freiberufliche Künstler, Journalisten und Publizisten bei Krankheit und Arbeitslosigkeit. Sie sorgt auch für deren Alterssicherung. Die Abgabe müssen Verlage, Theater oder Galerien entrichten, die die Arbeit von „Kulturschaffenden“ verwerten. Finanziert wird die Künstlersozialkasse auch durch einen Zuschuss des Bundes und durch Beiträge der Versicherten selbst.

ELENA

Mit dem elektronischen Entgeltnachweis (“Elena“) will die Bundesregierung lästigen Papierkram für Wirtschaft und Verbraucher abschaffen. Rund 3,2 Millionen Arbeitgeber erstellen jährlich etwa 60 Millionen Bescheinigungen über Einkommen und Beschäftigung ihrer Mitarbeiter. Diese werden bisher ausgedruckt und von Ämtern zur Bewilligung von Sozialleistungen später wieder per Hand eingegeben. Elena startet zwar erst 2012. Die Arbeitgeber müssen aber vom 1. Januar 2010 an monatlich Daten an eine zentrale Speicherstelle bei der Deutschen Rentenversicherung senden.

KRANKENKASSEN

Die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung steigt von 48 600 Euro auf 49 950 Euro pro Jahr. Wer drei Jahre lang oberhalb dieser Schwelle verdient, kann in die private Krankenversicherung wechseln. Alle Krankenkassen können von 2010 an pleitegehen - auch Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) und andere regionale Kassen. Bislang waren nur Kassen unter Bundesaufsicht - wie Barmer und DAK - insolvenzfähig. Bei einer Pleite haften die anderen Kassen der jeweiligen Kassenart.

SELBSTBETEILIGUNG UND PRÄMIEN

Wer einen Tarif mit Selbstbehalt hat, also für gesundheitsbewusstes Verhalten geringere Beiträge zahlt, darf nur die tatsächlichen Beiträge ansetzen. Wer von seiner Privatversicherung eine Prämie dafür erhält, keine Rechnungen eingereicht zu haben, muss das beim Finanzamt angeben.

AUSSERGEWÖHNLICHE KOSTEN

Wer Extrarechnungen für Medikamente, Brillen oder Brücken sammelt und dafür Rezepte hat, kann den Fiskus an seinen Kosten beteiligen. Dazu müssen diese "außergewöhnlichen Belastungen" einen bestimmten Teil des Einkommens übersteigen: von 1 Prozent (Geringverdiener) bis 7 Prozent (Gutverdiener).

WECHSEL DER KRANKENKASSE

2010 wird das Jahr der Zusatzbeiträge. Der Versicherte hat ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Kasse einen monatlichen Extra-Obolus verlangt. Bei einer Kassenfusion sollten sich die Versicherten informieren, ob die bisherigen Zusatzleistungen nach wie vor gelten: zum Beispiel die Erstattung von homöopathischen Behandlungen, Zuschüsse für Kuren und Fitnessangebote.

PFLEGE

Die finanziellen Leistungen der Pflegeversicherung steigen. Pflegehilfe: Pflegestufe 1 von 420 auf 440 Euro, Stufe 2 von 980 auf 1040 Euro, Stufe 3 von 1470 auf 1510 Euro. Pflegegeld: Stufe 1 von 215 auf 225, Stufe 2 von 420 auf 430, Stufe 3 von 675 auf 685 Euro. Vollstationäre Versorgung: Stufe 3 von 1470 auf 1510 Euro, Härtefälle von 1750 auf 1825 Euro. Kurzzeitpflege: 1470 auf 1510 Euro.

SCHWANGERENBERATUNG

Am 1. Januar 2010 tritt eine neue Fassung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes in Kraft. Danach müssen Schwangere mit auffälligem Pränataldiagnostik-Befund von ihrem Arzt über das Leben mit einem geistig oder körperlich behinderten Kind und das Leben von Menschen mit Behinderung informiert werden. Entschließt sich die Frau zum Abbruch, muss zwischen Beratung und Abtreibung eine Bedenkzeit von drei Tagen liegen.

RENTNER UND STEUERN

Wer 2010 in den Ruhestand geht, muss 60 Prozent seiner Bezüge versteuern. Für Neurentner 2009 waren es 58 Prozent. Der Chef der Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, warnt im Abendblatt: "Immer mehr Rentner müssen eine Steuererklärung abgeben." Im Moment sei die Verwirrung groß, weil die Finanzämter die Zahlen bis 2005 rückwirkend kontrollieren. Etwa zwei Millionen Rentner bekommen eine Nachzahlung oder müssen nachzahlen. Wer als alleinstehender Neurentner 16 000 Euro im Jahr erhält, muss 60 Prozent davon versteuern, also 9600 Euro. Das liegt bereits über dem Freibetrag von 8004 Euro (Paare: 16 009 Euro).

ALTERSVORSORGE

Arbeitnehmer und Selbstständige können jetzt 70 Prozent ihrer Beiträge zur Altersvorsorge beim Fiskus geltend machen (bis zu 14 000 bzw. 28 000 Euro für Ehepaare).

ARBEITNEHMERSCHUTZ

Nach dem Gendiagnostikgesetz sind genetische Untersuchungen am Arbeitsplatz grundsätzlich verboten.

BLEIBERECHT

Das Bleiberecht für Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe wird zum 1. Januar um zwei Jahre bis Ende 2011 verlängert. Ohne diesen Beschluss der Innenminister von Bund und Ländern hätte Anfang 2010 etwa 30 000 Flüchtlingen der Rückfall in die Duldung und damit möglicherweise eine Abschiebung gedroht.

RECHTSSCHUTZ VON UNTERSUCHUNGSHÄFTLINGEN

Bislang musste ein Festgenommener erst nach Beginn der Verhandlung über seine Rechte belehrt werden. Jetzt muss dies unverzüglich passieren. Auch ein Pflichtverteidiger muss dem Häftling sofort zur Seite gestellt werden und nicht erst wie bisher nach maximal drei Monaten.