Paul Ziemiak setzt sich in Kampfabstimmung um Vorsitz der Unions-Nachwuchsorganisation durch

Inzell. Angela Merkel hat ihn nicht selbst angerufen. Den Glückwunsch an Paul Ziemiak nach seiner Wahl an die Spitze der Jungen Union (JU) überbrachte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Der Chefin ist die große Nachwuchsorganisation der Union, die viele Mitglieder als Karriereschmiede nutzen, auch nach 14 Jahren CDU-Vorsitz fremd.

Die ostdeutsche Pfarrerstochter Merkel war 35 Jahre alt, als die Mauer fiel. Zu alt, um noch in die JU einzutreten, denn das ist die Altersgrenze. Und Merkel gilt nicht als Parteivorsitzende, die Nachwuchs gezielt fördert. Er muss sich bewähren.

Philipp Mißfelder, der die JU zwölf Jahre und damit so lange wie keiner vor ihm führte, hat das nicht nach Merkels Geschmack getan. Mißfelder ist auch heute noch ein glühender Verehrer von Helmut Kohl und pflegt ein Netzwerk, zu dem auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) und – über dessen Kontakte – sogar Kreml-Chef Wladimir Putin gehören. All das ist Merkel zutiefst suspekt.

Mißfelders Verdienste um die Junge Union, die er finanziell und organisatorisch bestens aufgestellt übergibt, streift sie bei seiner Verabschiedung auf dem JU-Deutschlandtag im bayerischen Inzell am Wochenende nur. Dafür erinnert sie gleich an seinen Ausrutscher vor elf Jahren, als er Senioren mit 85 Jahren keine Hüftgelenke auf Kosten der Allgemeinheit mehr zubilligen wollte: „Du hast nach unglücklichem Start verstanden, dass die Generationen zusammenhalten müssen.“

Nun also Paul Ziemiak. Er ist 29 Jahre alt. In Polen geboren, im Sauerland so sehr sozialisiert, dass er das R rollen kann wie der frühere SPD-Chef Franz Müntefering. Er ist kein Revoluzzer, das ist in der JU ohnehin kaum einer. Ziemiaks Devise: nicht dauernd meckern, um dann ernst genommen zu werden, wenn er die Unionsspitze kritisiert.

Ziemiak ist konservativer als Merkel. Das sind in der JU fast alle

Der neue JU-Chef will nun Strategiedebatten in der Partei anstoßen – diskutiert und gerungen wird in der Merkel-CDU nur noch wenig. Ziemiak ist konservativer als Merkel – wie die große Mehrheit der JU. Aber damit ist er noch kein Konservativer. Er ist wie Merkel gegen Sterbehilfe, agitiert schärfer als sie gegen Islamisten in Deutschland („Wer die Scharia mehr achtet – da hilft kein Integrationskurs, da hilft nur Gefängnis“), hat aber Skrupel, Homosexuellen das volle Adoptionsrecht zu verwehren.

Alle Gastredner von Merkel bis CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ermahnten die JU geradezu, laut und kritisch zu sein und sich einzumischen. Ja, ja – aber wenn man es dann mache, sei das Geschrei groß, heißt es im neuen JU-Führungszirkel. Ziemiaks Nachteil gegenüber Mißfelder: Er sitzt nicht im Bundestag und nicht in Berlin, sondern im Stadtrat von Iserlohn. Axel Wallrabenstein kennt die JU schon lange, er war von 1990 bis 1994 ihr Geschäftsführer. Er sagt: „In CDU und CSU wird seit Jahren nicht mehr richtig debattiert. Heute können sich die Jüngeren nicht wirklich politisch argumentativ auseinandersetzen.“

Einer, der das neben Ziemiak kann, heißt Benedict Pöttering – der unterlegene Gegenkandidat in dieser ersten Kampfabstimmung um den Vorsitz, die die JU seit 41 Jahren erlebt hat. Pöttering ist ein guter Redner. Aber über seinen Auftritt sind viele erschrocken. Nicht über die Inhalte, die politischen Ziele von Pöttering und Ziemiak ähneln sich. Sondern über den Stil der Rede: Was Pöttering sagt, klingt künstlich und verstellt. Am Ende klatschen seine eigenen Anhänger mit Verzögerung. Als hätten sie sich erst besinnen müssen, was gerade passiert ist. Ein robuster junger Mann steht verloren da – und mit ihm geht ein Talent für die JU verloren. Pöttering bekommt 37 Prozent, Ziemiak 63.

Einen Wechsel gab es auch beim Hamburger Mitglied im JU-Bundesvorstand: Der Jurist Philipp Heißner folgt auf die Bürgerschaftsabgeordnete Katharina Wolff, die nach vier Jahren im Vorstand nicht wieder kandidiert hatte.