Studie: Nur jeder Zehnte hält sein Kind für überfordert – egal in welcher Schulform

Berlin. Macht G8 krank? Seit Jahren tobt die Debatte um die verkürzte Gymnasialzeit. Eine neue Elternumfrage kommt jetzt zu einem überraschenden Ergebnis: Eltern von G8-Schülern sehen bei ihren Kindern nicht mehr Stress, Überforderung und Leistungsdruck als Eltern von G9-Schülern. Die oft beklagte Schädlichkeit des achtjährigen Gymnasiums finde sich „in der Praxis“ nicht wieder, so der Bielefelder Bildungsforscher Klaus-Jürgen Tillmann.

„Mein Kind geht gerne zur Schule“ – das glauben 86 Prozent der G8-Eltern und 89 Prozent der G9-Eltern, die Meinungsforscher für die neue „Jako-O-Bildungsstudie“ befragt haben. Weniger als jeder Zehnte findet sein Kind überfordert, unabhängig von der Schulform. Mehr noch: Die große Mehrheit glaubt, dass die Anforderungen der Schule „gerade richtig“ für die Kinder seien – auch hier unterscheiden sich die G8-Eltern kaum von den G9-Eltern.

Gleichzeitig aber sagen acht von zehn Eltern mit schulpflichtigen Kindern, sie würden lieber ein G9-Gymnasium wählen. Ein Widerspruch? „Die G8-Struktur wird heute verantwortlich gemacht für alle pädagogischen Unglücke der Welt“, so Bildungsforscher Tillmann. Im Alltag der Kinder aber finden sich offenbar kaum Beweise dafür, dass G8-Schüler gestresster und überforderter sind als G9-Schüler. Andere Studien bestätigten das: „Weder bei Noten noch bei Durchfallquoten, weder bei Stressbelastung noch bei den Klassenwiederholungen konnten signifikante Unterschiede festgestellt werden“, so Tillmann. Laut Umfrage brauchen G8-Schüler allerdings etwas mehr Hilfe: Die Nachhilfequote liegt erkennbar höher als bei den G9-Schülern. Und auch die Eltern helfen etwas stärker vor Klassenarbeiten. Die Mehrheit der Mütter und Väter wünscht sich der Umfrage zu Folge Wahlfreiheit zwischen G8 und G9.

Die Ganztagsbetreuung tut Kindern nach Ansicht vieler Eltern gut

So umstritten die Lage bei G8 und G9 ist – so eindeutig ist sie bei der Ganztagsschule. Hier sind sich die Eltern sicher, dass mehr Zeit zum Lernen und Spielen in der Schule ihren Kindern gut tut. Allenfalls durchschnittliche Noten geben die Eltern dagegen der Qualität der Ganztagsbetreuung: Viele Eltern vermissen die individuelle Förderung ihrer Kinder, wünschen sich bessere Hausaufgabenbetreuung und mehr Anknüpfungspunkte zwischen Unterricht und außerschulischen Angeboten.

Dahinter steckt auch die Hoffnung auf Entlastung der Familien: Die allermeisten Eltern sehen sich als Nachhilfelehrer ihrer Kinder. Drei von vier Eltern kontrollieren die Hausaufgaben und helfen ihren Kindern vor Klassenarbeiten und Referaten; die Mehrheit der Eltern arbeitet regelmäßig zu Hause den Lernstoff nach – selbst mit Schülern, die nach Ansicht ihrer Eltern gar keine Probleme in der Schule haben.