Nobelpreisträger Stiglitz zeichnet düsteres Bild des Währungsraumes. Euro fällt unter 1,33 Dollar

Lindau. Wer zum Nobelpreisträgertreffen nach Lindau kommt, muss nicht lange nach Gründen suchen, warum bislang nur ein Deutscher mit dem höchsten Preis der Ökonomie ausgezeichnet worden ist. Die deutsche Vorstellung von Wirtschaftspolitik mit festen Regeln und sparsamer Haushaltspolitik gehört nicht eben zum Mainstream-Denken in der Zunft. Die deutsche Haltung wird von der Elite der Volkswirte inzwischen sogar als gefährlich gebrandmarkt.

So hat Nobelpreisträger Joseph Stiglitz vor einer gefährlichen Abwärtsspirale der Euro-Zone gewarnt. Vor allem der von Deutschland verordnete strikte Sparkurs habe sich als kolossaler Fehler herausgestellt. „Es droht eine jahrelange Depression, die selbst die verlorenen Dekaden Japans in den Schatten stellen wird“, warnte Stiglitz auf dem fünften Treffen der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau am Bodensee.

Stiglitz, der an der renommierten Columbia-Universität lehrt, gehört zur ökonomischen Elite. Der globale Einfluss des Ex-Chefökonomen der Weltbank und ehemaligen Wirtschaftsberaters von Bill Clinton ist zuletzt sogar noch gestiegen. Seine kapitalismuskritischen Forschungsgebiete wie die wachsende weltweite Ungleichheit sind inzwischen in der breiten Zunft hoffähig geworden. Stiglitz bekam 2001 den Nobelpreis für seine Forschung an Märkten, in denen die Informationen ungleich verteilt sind. An den Märkten hinterließen Stiglitz’ Äußerungen ihre Spuren. Der Euro stürzte unter die Marke von 1,33 Dollar. Zwischenzeitlich kostete die Gemeinschaftswährung nur noch 1,3277 Dollar, so wenig wie seit September 2013 nicht mehr.

Die Bremswirkungen der Sparpolitik auf das Wachstum sei massiv unterschätzt worden. Aber selbst heute, wo sich die Fehler mit voller Wucht offenbarten, sei keine Änderung des Kurses zu erkennen. „Ich bin nicht sehr zuversichtlich für die Zukunft der Währungsgemeinschaft, zumal die wirtschaftlichen Folgen der geopolitischen Verwerfungen erst noch kommen“, sagte Stiglitz. Er hat die Zahlen auf seiner Seite. Die Wirtschaft der Währungsgemeinschaft ist im zweiten Quartal zum Stillstand gekommen, die Wirtschaftsleistung in Italien und Deutschland ist zwischen April und Juli sogar um 0,2 Prozent geschrumpft. Der Euro mit seinen strikten Regeln wirke dabei wie ein Korsett für die Mitgliedstaaten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in Lindau ihre Politik verteidigt und die Banken kritisiert. Sie verlangte weltweit wirksame Regeln für die sogenannten Schattenbanken. Damit sind zum Beispiel spekulative Fonds oder Investmentfirmen gemeint, die zwar milliardenschwere Transaktionen abwickeln, aber anders als die traditionellen Geldhäuser kaum einer Kontrolle unterliegen. Bei allen Fortschritten bei der Regulierung der Banken sei dies immer noch „ein Bereich, der regulatorisch ziemlich nackt dasteht“, sagte Merkel zur Eröffnung eines Treffens von Wirtschaftsnobelpreisträgern. Es bestehe das Risiko, dass Finanzakteure aus dem regulierten Bankensektor auswichen in den Schattenbankenbereich. „Wenn wir den nicht mit derselben Konsequenz dann auch unter die Lupe nehmen, dann ist jedenfalls die Gefahr einer nächsten Finanzmarktkrise bereits programmiert.“