Parteichef Lucke und Vize Gauland haben unterschiedliche Ansichten über Sanktionen gegen Moskau

Berlin. Der Streit auf der persönlichen Ebene zwischen AfD-Chef Bernd Lucke und seinem Vize Alexander Gauland ist beigelegt, der Konflikt um die grundsätzliche Ausrichtung der Russland- und Ukrainepolitik aber bleibt. „Da ist ein politischer Dissens“, sagt Gauland. „Und den kann auch niemand wegreden.“ Entgegen den Beschlüssen von Partei und Bundesvorstand hatten Lucke, AfD-Vize Hans-Olaf Henkel und der Abgeordnete Bernd Kölmel im Europaparlament einem Antrag zugestimmt, der Sanktionen gegen Russland unterstützt. Weder Lucke noch Henkel hatte den Bundesvorstand über die anstehende Abstimmung informiert.

Am Dienstagabend suchten Gauland und Lucke, den Zwist in einem langen Telefonat beizulegen. Sie hätten lange miteinander gesprochen, sagt der AfD-Vize. „Lucke räumte ein, dass es falsch gewesen sei, den Bundesvorstand nicht über die Abstimmung zu informieren“, sagt er. Aber in der Sache hätten sie nicht zueinandergefunden.

Gauland ist der Außenpolitiker der AfD. Aus seiner Feder stammt ein Papier, in dem er eine Rückbesinnung auf „Elemente der Bismarckschen Rückversicherungspolitik gegenüber Russland“ anregt. Während er dafür in Öffentlichkeit zum Teil heftig kritisiert wurde, fanden seine für „Verständnis für die russischen Bedürfnisse im Umgang mit den Nachfolgestaaten der einstigen Sowjetunion“ werbenden Vorschläge innerhalb der Partei und bei den AfD-Anhängern viel Zuspruch. Deutlich wurde dies auch auf dem Bundesparteitag in Erfurt, der mit großer Mehrheit eine Ukraine-Resolution beschloss, die Sanktionen gegen Russland ausdrücklich ablehnt.

Neben der Euro-Frage gilt vielen Mitgliedern und AfD-Anhängern die Position der Partei in der Russland- und Ukraine-Politik als ein wichtiges identitätsstiftendes Merkmal in einer brandaktuellen politischen Auseinandersetzung, weil sie sich fundamental von CDU, SPD und Grünen unterscheidet. „Es gibt bei uns Transatlantiker und Leute wie mich, die sagen: Diese Epoche ist 1990 zu Ende gegangen, und wir begingen damals den großen Fehler, den Russen kein Angebot gemacht zu haben“, sagt Gauland. Vielmehr sei der Westen froh gewesen, dass der einstige Feind von schweren inneren Konflikten erschüttert machtpolitisch fürs Erste außer Gefecht gesetzt war.

Lucke und Henkel hatten die Beschlüsse von Erfurt schon damals nur widerwillig hingenommen. Doch wagten es beide nicht, offen gegen die weitgehend von Gauland vorgegebene Position zu opponieren. Entweder wollten sie den Dissens verdecken, oder sie fürchteten eine Abstimmungsniederlage. Nun sind der Konflikt und der Riss, den er durch die Partei zieht, für jeden sichtbar.