Regierung will digitales Deutschland innovativer machen. Eine Aufgabe, die für einen Minister allein zu groß erscheint

Berlin. Es bewegt sich wohl nur etwas, wenn man den Menschen richtig Angst macht. So muss sich Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) gedacht haben, bevor er mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Sachen Digitale Agenda an die Öffentlichkeit ging.

„Wie stehen vor einem Daten-Tsunami“, drohte Dobrindt vor der digitalen Überflutung des deutschen „Datenbiotops“. Und weil man den Daten im Gegensatz zur ausländischen Pkw-Invasion keine Mautgebühren abknöpfen kann, muss man wohl oder übel die Trassen breiter machen. 50 Megabit pro Sekunde Übertragungskapazität bis 2018 flächendeckend. So steht es als einer der wichtigsten Vorhaben im Handlungsplan zur Digitalpolitik der Bundesregierung, den das Kabinett zuvor verabschiedet hatte. Aktuell sind solche schnellen Internetzugänge laut Dobrindt in 64 Prozent der Haushalte verfügbar.

Das Datentempo klingt gewaltig, ist es aber nicht. Dobrindts Aufrüstungsplan ermöglicht zwar, bis zu sechs Kinofilme in HD-Qualität gleichzeitig zu übertragen. Die Industrie rechnet jedoch mit dem vierfachen Bedarf bereits für 2017. Auf dem Land liege der Breitbandausbaugrad derzeit bei unter 20 Prozent, in den Städten bei 80 Prozent.

Als eine Art Deichgraf, der die Fluten kanalisiert und die Grenzen schützt, präsentierte sich auch Innenminister de Maizière, der wie auch Gabriel die Wiedererlangung der „digitalen Souveränität“ ausrief. Angesichts des von allen dreien offen eingestandenen Rückstands Deutschland bei Internetvernetzung und digitaler Innovationsfähigkeit wolle man „wieder als Handelnde dabei sein, nicht als Behandelte“ und „Standards setzen für das, was nach Google kommt“. De Maizières Schwerpunkt der Digitalen Agenda ist die IT-Sicherheit und die „Digitale Verwaltung 2020“, mit er binnen sechs Jahren die „100 wichtigsten Aufgaben“ der Verwaltung für den Bürger aus der Papierform in digitale Prozesse überführen will. Unter der Überschrift „innovativer Staat“ zählte de Maizière sieben Handlungsfelder auf und verteidigte sein Vorhaben für ein IT-Sicherheitsgesetz mit dem Hinweis auf „legitime Überwachung“, die wie in der analogen Welt auch in der digitalen dem Staat seine hoheitliche Funktion ermöglichen müsse. Datenflut-Deichgraf Gabriel schließlich sieht sich beim „Schutz der Freiheitsrechte“, der Abwehr ausländischer Monopolherrschaft und dem Fortschritt am Innovationsstandort Deutschland in der Pflicht. Sein Rezept heißt „Re-Regulierung“, was so viel meint wie das Abschaffen von Regeln, auf das sich die Investitionsbremsen lockern und die Digitalwirtschaft gedeihen möge. Und das in aggressiver Konkurrenz namentlich zu den USA. Gabriel malte das Bild eines dramatischen industriellen Wandels. Wenn die letzte Computermesse Cebit vom Chef des Volkswagen-Konzerns eröffnet worden sei, so könne man sich vorstellen, dass die Hannover-Industriemesse bald einmal die Eröffnungsrede eines Google-Chefs sehen würde. Dieser Wandel, die Neuformation industrieller Schrittmacher und Schlüsseltechnologien sei allerdings eine Chance für Deutschland „wie für kein anderes Land der Welt“, sagte Gabriel und hob die deutsche Maschinenbauindustrie hervor. Konkret gefördert werden soll deshalb die Entwicklung digitaler Ideen. Das Infrastrukturministerium stellt ab 2015 dafür 100 Millionen Euro für Kreative bereit – und Geodaten zu Wetter, Verkehr, von Satelliten und aus der Meeresbeobachtung für neue Anwendungen. Das Projekt ist bereits an universitären Einrichtungen in Bayern verankert.

Trotz aller hoffnungsvollen Ansätze drohe Europa und Deutschland international bei der Hardware von Asien und bei der Software von US-Unternehmen abgehängt zu werden, begründet drohend auch der Wirtschaftsminister den Handlungsbedarf am Digitalstandort Deutschland. Namentlich der Suchmaschinenkonzern Google – der Name fiel als einziger, dafür gleich viermal beim Auftritt des digitalpolitischen Dreigestirns vor der Bundespressekonferenz. „Wo sind meine Daten am sichersten“, solle sich der internationale Forschungskonzern in Zukunft fragen und im Lichte der europäischen Datenschutzrichtlinie seine Standortentscheidung gegen die unsichere neue und für die sichere alte Welt treffen. Erst jüngst waren durch Enthüllungen der US-Bürgerrechtsorganisation Center for Digital Democracy erneut begründete Zweifel an der Datensicherheit des US-amerikanischen Standorts laut geworden. Demnach umgehen mindestens 30 amerikanische Firmen gezielt die Datenschutzbestimmungen, die zwischen der EU und den USA im Rahmen des Safe-Harbor-Abkommens vereinbart wurden. Eine entsprechende Dokumentation wurde der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde Federal Trade Commission übergeben – mit der Forderung, die Unternehmen gegebenenfalls aus dem Safe-Harbor-Abkommen auszuschließen.

Abseits der großen Linien war allerdings wenig Verbindliches von dem Ministertrio zu hören. Vor allem zu Fragen der Finanzierung wollte man am liebsten gar nichts sagen, außer der Ankündigung eines „Modernitätsfonds“, den Gabriel als eine Art „Neuer Markt 2.0“ apostrophierte. Details zu diesem Fonds gab es allerdings nicht. Zuvor hatte Dobrindt noch Erlöse aus der Versteigerung von Rundfunkfrequenzen (DAB-T) ins Spiel gebracht, die „einen hohen siebenstelligen Betrag“ für den Breitbandausbau erbringen sollten.