Chefin der Bayerischen Staatskanzlei verstrickt sich in Widersprüche. Zweifel an ihrem Ausstieg aus Modellautofirma. Steuerfahndung ist aktiv

München. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte das Festhalten an seiner Staatskanzleichefin an Bedingungen geknüpft: Wenn etwas Neues auftauchen sollte, was bisher nicht diskutiert wurde und von „signifikantem Gehalt“ wäre, dann müsste der Fall Haderthauer „einer neuen Bewertung zugeführt werden“.

Jeden Tag tauchen neue Details zu der sogenannten Modellbau-Affäre auf, in die die bayerische Ministerin für Sonderaufgaben, Christine Haderthauer (CSU), und Ehemann Hubert, Leitender Landgerichtsarzt in Ingolstadt, verwickelt sind. Aber noch immer will Ministerpräsident Seehofer keine Konsequenzen ziehen. Auf eine Anfrage in der Regierungszentrale, ob nun gravierende Neuigkeiten vorlägen, gab es keine Antwort. Ein Zeichen dafür, dass Seehofer zögert, aktiv zu werden, weil sich die nun bekannt gewordenen Fakten mit dem früheren Schreiben der Staatsanwaltschaft an die Landtagspräsidentin decken, mit dem die Aufhebung der Immunität der Leiterin der Bayerischen Staatskanzlei gefordert wurde. Seehofer überlässt die weiteren Nachforschungen weiterhin der Staatsanwaltschaft – und den Medien.

So berichtete „Spiegel online“, dass bei einer Hausdurchsuchung am 21. Mai in der Villa der Haderthauers in Ingolstadt Unterlagen auftauchten, die nun auch die Steuerfahndung auf den Plan gerufen haben. Die sichergestellten Schriftstücke nähren den Verdacht, dass die Gewinne der Firma „Sapor Modelltechnik“, an der zunächst Christine Haderthauer beteiligt war und deren Anteile 2003, als sie in den Landtag kam, auf ihren Mann übertragen wurden, tatsächlich höher waren als beim Fiskus angegeben.

Die Bewertung der Firma spielte auch bei der Abfindung des ehemaligen Teilhabers Roger Ponton eine Rolle. Weil er sich über den Tisch gezogen fühlt, hatte er Anzeige wegen Betrugs gestellt, der die Staatsanwaltschaft München nachgeht. Ponton hält eine Auszahlung von 50.000 Euro für angemessen, nur 20.000 Euro bekam er. Als Ponton ausgezahlt wurde, soll ihm lediglich ein zweiseitiges Schriftstück überreicht worden sein, um den Wert der Firma zu belegen. 13 weitere Seiten, die Aufschluss über das Kapital geben sollten, fehlten. Angeblich wurden diese Seiten bei der Hausdurchsuchung gefunden. Nun wird geprüft, ob der entsprechende Ordner eindeutig der Ministerin zuzuordnen ist.

Haderthauer hatte immer betont, dass sie 2003 komplett aus der Firma ausgestiegen sei. 2007 und 2008 aber sollen zwei Flüge in die Türkei und nach Paris steuerlich geltend gemacht worden sein, die mit der Kreditkarte der Ministerin bezahlt wurden. Haderthauer hatte erklärt, dass die beiden Reisen ihre Tochter unternommen hätte, um Modellautos auszuliefern.

Dass es sich bei dem Unternehmen nicht um ein fragwürdiges Geschäftsmodell gehandelt habe, sondern um „ein von Idealismus getragenes Engagement“, wie Haderthauer sagte, ziehen ehemalige Mitarbeiter in Zweifel. „Bild“ berichtet über einen ehemaligen Insassen des Bezirkskrankenhauses Ansbach, der jahrelang in die Modellautoproduktion bei Sapor Modelltechnik eingebunden war. Er wurde offenbar von dem psychisch gestörten Dreifachmörder Roland S., einem äußerst talentierten Modellbauer, angeleitet. Die Arbeitsbedingungen seien auf große Produktivität ausgerichtet gewesen, die Bezahlung lag bei 250 Mark pro Monat. „Ich fühle mich ausgebeutet“, wird der ehemalige Insasse zitiert.

Aber auch der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) befasst sich seit Längerem mit Hubert Haderthauer – allerdings nicht in Sachen Modellbau. Es geht vielmehr um seine langjährige Tätigkeit als Gerichtsarzt, beziehungsweise um seine Nebentätigkeiten in dieser Funktion. „Hintergrund des noch andauernden Prüfungsschriftwechsels ist eine Rechtsfrage, die unter anderem gebührenrechtliche, zivilrechtliche und beamtenrechtliche Bereiche betrifft“, bestätigt der ORH. „Die Zahlungen wurden für Tätigkeiten geleistet, die Herr Dr. Haderthauer nicht im Hauptamt erbracht hat.“

Es wird geprüft, ob Hubert Haderthauer Honorare in Rechnung gestellt und erhalten hat, die ihm eigentlich nicht zustehen: „Im Kern geht es um die Frage, ob Zahlungen der Justizverwaltung für Laborleistungen an Herrn Dr.Haderthauer rechtsgrundlos erfolgt sind und ob diese zurückgefordert werden müssten“, erklärt der Rechnungshof. Der „Prüfungsschriftwechsel“ mit dem Justizministerium dauere noch an und werde vertraulich behandelt. Bei der ORH-Prüfung stehen Drogenscreenings im Mittelpunkt, die der Landgerichtsarzt auch im Rahmen von Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Sie wurden von ihm privat abgerechnet. Zahlen muss in einem solchen Fall entweder die untersuchte Person selbst oder, wenn kein Geld da ist, die Staatskasse. Beim Rechnungshof gab es allerdings Zweifel, ob Haderthauer dafür überhaupt eine fachliche Qualifikation besaß und ob die Screenings nicht zu seinen hauptberuflichen Aufgaben gehörten. Rechtlich ist das offenbar umstritten. Einen Nachweis über eine spezielle Qualifikation lieferte Haderthauer bislang nicht. Dennoch versuchte der Freistaat, das Geld zurückzufordern. Einem Mahnbescheid widersprach Haderthauer bereits. Jetzt muss er damit rechnen, dass von staatlicher Seite noch im August Klage beim zentralen Mahngericht in Coburg erhoben wird.

Bayerns Opposition bekräftigte ihre Rücktrittsforderung. „Wenn sich nun auch noch bestätigen sollte, dass Frau Haderthauer Steuern hinzogen hat, wäre das eine neue Dimension. Es ging ihr bei Sapor immer ums Geld, das ist bereits klar. Ministerpräsident Seehofer muss sie endlich entlassen“, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Und die CSU-Spitze hofft, dass die Ermittler bald zu einem Ergebnis kommen. Nicht nur eine Anklage, auch ein längeres Ermittlungsverfahren würde Haderthauers Sturz bedeuten. „Wenn sich das sehr lange hinzieht, wird es schwierig“, sagt ein CSU-Politiker.