Bundespräsident Gauck erwartet mehr internationale Verantwortung von Berlin

Berlin. Bundespräsident Joachim Gauck hat sich gegen einen pauschalen Verzicht auf Militäreinsätze als Instrument deutscher Außenpolitik ausgesprochen. Zu der von ihm gewünschten aktiveren Rolle Deutschlands in der Welt gehöre auch, „den Einsatz militärischer Mittel als letztes Mittel nicht von vornherein zu verwerfen“, sagte Gauck im Deutschlandradio Kultur. Deutschland müsse seine früher angemessene Zurückhaltung aufgeben. Ihm schwebe dabei kein „deutsches Dominanzgebaren“ vor, betonte Gauck. „Das Gegenteil ist der Fall.“ Ihm gehe es um ein „Ja zu einer aktiven Teilnahme an Konfliktlösungen im größeren Rahmen“ mit den Partnern der Europäischen Union und der Nato. Deutschland müsse dabei „an der Seite der Unterdrückten stehen“, sagte Gauck.

„Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen“, sagte der Bundespräsident weiter. „So wie wir eine Polizei haben und nicht nur Richter und Lehrer, so brauchen wir international auch Kräfte, die Verbrechen oder Despoten, die gegen andere mörderisch vorgehen, stoppen.“ Für eine solche aktivere Außenpolitik sei in Deutschland ein Mentalitätswechsel nötig, argumentierte Gauck. „Ich habe das Gefühl, dass unser Land eine Zurückhaltung, die in vergangenen Jahrzehnten geboten war, vielleicht ablegen sollte zugunsten einer größeren Wahrnehmung von Verantwortung.“ Deutschland könne sich auf eine solche Rolle einlassen, weil es inzwischen eine „verlässliche Demokratie“ sei.

Gauck äußerte sich zum Abschluss eines Staatsbesuchs in Norwegen. Dort habe er „auf allen Ebenen ein Ja zu einem aktiven Deutschland gehört“, berichtete der Präsident. Mit seinen Interviewäußerungen knüpfte Gauck an seine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz an, in der er ein größeres außenpolitisches Engagement Deutschlands forderte.

Scharfe Kritik an Gaucks Überlegungen kam von der Linkspartei. „Ein Bundespräsident, der quasi als Feldherr die Bundeswehr mit Hurra in alle Welt schicken möchte, stellt sich gegen die Bevölkerung und begibt sich damit ins Abseits“, erklärte der Außenexperte der Linksfraktion im Bundestag, Jan van Aken. „Gaucks einseitiger Blick auf das Militärische ist hochgefährlich.“ Deutschland müsse sich mit nicht militärischen Mitteln für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einsetzen.

Gauck sprach sich auch dafür aus, junge Menschen weltweit zum Lernen der deutschen Sprache zu ermuntern. „Und dann ist Berlin cool! Das muss man den Jugendlichen dann auch mal sagen.“ Er beobachte, dass „alle möglichen jungen Leute“ nach Berlin kämen und dort auflebten. „Das sind Dinge, die sind nicht mit wissenschaftlichen oder politischen Headlines verbunden, aber so ein gutes, positives Lebensgefühl mal mitzunehmen aus Deutschland, das kann auch der Einstieg sein für eine längere und tiefere Beziehung zu unserem Land.“