Ministerin Wanka stellt Bundesbildungsbericht 2014 vor – auch mit positiven Tendenzen

Berlin. Die jungen Frauen holen auf. Immerhin. Türkischstämmige Frauen in Deutschland im Alter zwischen 30 und 35 erwerben häufiger als noch 2005 einen Berufsabschluss. Doch ist dieser Befund des neuen Bildungsberichts 2014 der Kultusminister der Länder und des Bundesbildungsministeriums ein schwacher Trost. Denn die Quote derjenigen, die dies nicht tun oder denen dies verwehrt wird, ist noch immer erschreckend hoch: Sie beträgt fast 60 Prozent. Vor knapp zehn Jahren waren es aber noch 70 Prozent.

Geringer werden jedoch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Aber nur, weil sich bei den jungen Männern der gleichen Herkunft überhaupt nichts verändert. Noch immer erwirbt fast die Hälfte der Deutschtürken dieser Altersgruppe keinen Berufsabschluss. „Hier scheinen weiterhin kulturelle Unterschiede eine Rolle zu spielen“, heißt es in der Studie.

Damit ragt die Gruppe der Türken in Deutschland unter allen Migranten besonders heraus. Und zwar nicht nur, wenn es um den Berufsabschluss geht, auch beim Schulabschluss sieht es nicht gut aus. Mehr als 20 Prozent der jungen Frauen haben nicht einmal einen Hauptschulabschluss, bei den Männern liegt die Quote etwas darunter.

Voran geht es nur in kleinen Schritten. Um dies zu erkennen, muss man tiefer in die Statistik einsteigen, die alle zwei Jahre vorgelegt wird und damit einen guten Überblick über langfristige Tendenzen gibt. So gibt es nur noch wenige Jugendliche und junge Erwachsene bis 30 Jahre mit Migrationshintergrund, die weder Kita noch Schule und Hochschule besuchen oder eine Berufsausbildung absolvieren. Gerade unter den Türkischstämmigen ist der Wert, den die Wissenschaft die Bildungsbeteiligungsquote nennt, kontinuierlich gestiegen. Seit 2005 um 13 Prozent.

In vielen Regionen schicken die Migranten ihre Kinder mittlerweile fast ebenso häufig in den Kindergarten wie die Deutschen. Bei der frühkindlichen Bildung, bei den unter Dreijährigen, gibt es jedoch noch eine große Distanz.

Marcus Hasselhorn, dessen Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung den Bericht erstellte, hält es jedenfalls für höchst problematisch, dass türkische Kinder in der Regel zwei Jahre später ins frühkindliche Bildungssystem einsteigen als deutsche Kinder: „Der Schlüssel liegt in der frühkindlichen Bildung.“ Oft sei verspätete sprachliche Entwicklung der Grund dafür, dass es die Kinder in der Schule schwerer haben.

Verdoppelt hat sich jedoch der Anteil der türkischstämmigen Studenten an den Hochschulen, von 4,2 Prozent auf 8,4 Prozent. Solche Trends sind für die Zukunft von entscheidender Bedeutung. Denn der Anteil der Personen mit Migrationsgeschichte an der Bevölkerung steigt und steigt. Von den unter Sechsjährigen weist sie gut ein Drittel auf. Vor allem im Westen Deutschlands sind die Quoten besonders hoch. Teilweise überschreiten sie die 40-Prozent-Marke deutlich.

Gleichzeitig verringert sich die Zahl derjenigen Kinder, die bei Eltern aufwachsen, die weder Arbeit hatten noch eine Berufsausbildung und denen es auch finanziell sehr schlecht geht. Einer solchen Situation sind heute weniger Kinder aller Bevölkerungsgruppen ausgesetzt als noch 2005. Waren es damals noch 32,4 Prozent, so waren es zum Zeitpunkt der Untersuchung 2012 noch 29,1 Prozent.

Die Hälfte der Schüler an Hauptschulen kommt aus Elternhäusern, auf die mindestens eines der genannten Kriterien zutrifft. Dagegen sind es am Gymnasium nur 18 Prozent. Und auch die Chancen für dieses Fünftel der Gymnasiasten, am Ende ebenso gute Ergebnisse zu erzielen wie die anderen, sind gestiegen. Das haben die PISA-Studien in Deutsch und Mathematik gezeigt. Darin war ein auffallendes Leistungsplus bei den Schülern festzustellen, die als schwächer – auch im Hinblick auf die soziale Herkunft – galten.

Die grundsätzliche Abhängigkeit zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft ist allerdings ein Fakt, der sich nicht wegdiskutieren lässt. Eine weitere Tatsache ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund unter den genannten Gruppen prozentual auffallend häufig vertreten sind. So ist es kein Wunder, dass nach der Schule besonders viele Ausländer im sogenannten Übergangssystem landen.

Dieses System bezeichnet eine Reihe von Angeboten, die dazu dienen sollen, sich besser auf eine Berufsausbildung vorzubereiten. Tatsächlich sind sie aber nicht freiwillig, sondern verpflichtend für jene, die keine Ausbildungsstelle bekommen oder keine finden. Noch immer geht jedes Jahr eine Viertelmillion junger Menschen in diesen Zwischenbereich. Zwar lag die Zahl schon deutlich höher – 2003 bei über 500.000 – und sie sinkt seit Jahren; jedoch ist sie immer noch höher als die der jährlichen Schulanfänger.

Unter den Neuzugängen im Übergangssystem machten 2012 die Ausländer 46,5 Prozent aus, also fast die Hälfte. Bei den Deutschen sind es 24,4 Prozent. Ganz schwierig ist die Lage für jene, die gar keinen Abschluss haben. Von ihnen müssen 71,2 Prozent in die Schleife vor dem Beruf, bei den Ausländern sind es 83,9 Prozent. Je höher der Abschluss desto seltener lernt ein Absolvent das Übergangssystem kennen.

Nicht eigens ausgewiesen sind die Deutschtürken im Übergangssystem. Die Forscher gehen jedoch davon aus, dass sie die zahlmäßig größte Gruppe unter den Migranten ausmachen. Das ist die logische Konsequenz aus den übrigen Befunden. Die Wissenschaftler raten deshalb, sich in den nächsten Jahren noch stärker und koordinierter um die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu kümmern sowie gezielt um die jungen Männer.

Um die Quote jener 30- bis 35-jährigen Deutschtürken zu senken, die keine Ausbildung oder keinen Schulabschluss haben, bedarf es jedoch anderer Instrumente. Man wird sie kaum wieder auf die Schulbank zwingen können, auch ihre Chance, ohne Unterstützung einen Ausbildungsplatz zu finden, ist gering.

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, sich um diese Gruppe speziell zu kümmern. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sieht die Notwendigkeit, sich die Situation der Männer genauer anzusehen. Wie man junge deutschtürkische Männer gezielt fördern kann, will sie unter anderem beim Bildungsgipfel im Herbst gemeinsam mit der Kanzlerin erörtern.

„Ein möglicher Weg ist, die handwerklichen Berufe wieder attraktiver zu machen“, sagte Wanka. Den Anstieg der Schulabschlüsse bei deutschtürkischen Frauen will sie trotz der ernüchternden Zahlen als Ermutigung verstanden wissen.

„Andererseits“, sagt die Ministerin, „ist der Bericht auch ein Auftrag.“ Ob sich die über 30-Jährigen mit Programmen ködern lassen – die meisten haben sich ja doch irgendwie im Leben eingerichtet –, wird wohl erst der Bildungsbericht 2016 zeigen.