Ehemaliger SPD-Politiker soll über Bundestagsserver strafbare Bilder aufgerufen haben

Hannover. Der ehemalige SPD-Politiker Sebastian Edathy, 44, soll sich nach Polizei-Ermittlungen auch strafbares kinderpornografisches Material über das Internet beschafft haben. Über die im Grenzbereich zur Kinderpornografie liegenden Filme und Fotos hinaus, die er aus Kanada bezogen hatte, habe er über den Bundestagsserver kinderpornografische Bilder aufgerufen, berichteten NDR und „Süddeutsche Zeitung“ am Freitagabend.

Dabei handele es sich nicht um die bereits bekannten Bestellungen bei dem kanadischen Anbieter Azovfilms, die als strafrechtlich irrelevant zu werten seien. NDR und „Süddeutsche Zeitung“ beriefen sich dabei auf den Abschlussbericht des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen zu dem Fall. Edathy warf den Ermittlungsbehörden auf seiner Facebook-Seite „gezielte Indiskretion“ vor, äußerte sich aber inhaltlich nicht zu dem Bericht.

Gegen Edathy laufen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Erwerb und Besitz von Kinderpornografie. Nach Darstellung des LKA liefern Computer-Verbindungsdaten vom Bundestagsserver den Nachweis, dass alleine im November 2013 mindestens 21 Bilddateien mit kinderpornografischem Inhalt über Edathys Laptop aufgerufen wurden. Den Laptop hatten Edathy im Februar dieses Jahres als gestohlen gemeldet. Die Verbindungsdaten aber machen es möglich, einzelne Seitenaufrufe nachzuvollziehen.

Darüber hinaus fanden die Ermittler laut NDR und „Süddeutscher Zeitung“ bei der Durchsuchung von Edathys Büros und Privaträumen auch eine CD mit 45 jugendpornografischen Videos sowie mehrere Hefte. Ihr Besitz ist seit 2008 strafbar. Seit wann Edathy sie besessen hat, ist offenbar unbekannt.

Edathy kritisierte, dass der Bericht Journalisten übermittelt worden sei, bevor er seinem Anwalt vorgelegen habe. „Es ist offenkundig, dass kein rechtsstaatliches Verfahren intendiert ist, sondern ausschließlich eine öffentliche Vernichtung meiner Person, einhergehend mit einer beabsichtigten Vorverurteilung.“ Er erwarte Aufklärung vom niedersächsischen Justizministerium, wie es dazu kommen konnte, „dass zum wiederholten Mal interne Unterlagen rechtswidrig weitergegeben worden sind“.

Die Staatsanwaltschaft Hannover müsse nun juristisch bewerten, ob Edathy sich auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse strafbar gemacht habe. Sprecherin Kathrin Söfker erklärte auf Anfrage von NDR und „Süddeutscher Zeitung“, die Behörde habe den LKA-Abschlussbericht zusammen mit den Ermittlungsakten dem Verteidiger Edathys zur abschließenden Stellungnahme übersandt. Edathy hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft im Internet bereits Nacktaufnahmen Jugendlicher „im Grenzbereich“ zur Kinderpornografie bestellt. Der SPD-Politiker legte im Februar sein Bundestagsmandat nieder, kurz bevor die Affäre publik wurde.

Anfang März zog Edathy in ein Apartment nach Südeuropa. Er sagte damals in einem Interview mit dem „Spiegel“: „Kindesmissbrauch ist verwerflich und ist zu bestrafen. Diesen habe ich weder begangen noch unterstützt.“ Eine Entschuldigung lehnte der Innenpolitiker und ehemalige NSU-Ausschussvorsitzender ab. „Ich muss und werde mich für mein Privatleben nicht entschuldigen oder rechtfertigen. Niemand, der sich im privaten Bereich rechtskonform verhält, muss das.“ Der Schutz der Privatsphäre sei elementar für einen Rechtsstaat.

Der Verdacht des Besitzes von Kinderpornografie kam auf, weil Edathy 31 Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen bei einem kanadischen Internetunternehmen gekauft hatte. Auch gegen die Firma wird ermittelt. Mindestens ein Viertel deren Angebots sei kinderpornografisch. Edathy verteidigte in dem Interview, dass er Nacktaufnahmen gekauft hat. „Man muss daran keinen Gefallen finden, man darf es aber.“ Wenn jemand das nicht gut finde, „kann ich das verstehen“, sagte er. In der Kunstgeschichte habe der männliche Akt aber eine lange Tradition, auch der Kinder- und Jugendakt. Der SPD-Politiker beklagte, er sei in Deutschland gewissermaßen verfemt. „Es ist eine völlig surreale Lage, in der ich bin: meine Arbeit, meine Privatsphäre und mein Zuhause – alles das ist erst mal weg.“

Vorwürfe erhob Edathy damals auch gegen seine Partei. Das von SPD-Chef Sigmar Gabriel angestrebte Ordnungsverfahren sei unhaltbar, bevor die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen seien. Er halte es für problematisch, „wenn die Kategorie des moralischen Verhaltens im privaten Bereich für ein Ausschlussverfahren leitend sein soll“.