Ausbildung wird vereinheitlicht. Gemeinsame Kommission von Bund und Ländern soll Klinikreform erarbeiten. Investitionen bleiben Ländersache

Berlin. Angesichts des wachsenden Pflegebedarfs in Deutschland wollen Bund und Länder den Pflegeberuf attraktiver machen und die häusliche Pflege durch Angehörige stärken. „Der Pflegestau wird aufgelöst“, kündigte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) nach gemeinsamen Beratungen mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und den Sozial- und Gesundheitsministern der Länder in Berlin an. Bund und Länder vereinbarten dabei auch eine grundlegende Reform der Krankenhäuser.

Um die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen, soll die Pflegeausbildung vereinheitlicht und das Schulgeld abgeschafft werden. Schwesig sagte, Bund und Länder würden in diesem Jahr die Finanzierung und die Inhalte der künftigen Ausbildung mit einem bundesweit einheitlichen Abschluss abstimmen. Sie wolle das neue Pflegeberufegesetz 2015 auf den Weg bringen. Ziel der Reform sei, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen und den Pflegeberuf attraktiver und durchlässiger zu machen, hieß es. Heute gibt es unterschiedliche Ausbildungsgänge für die Alten-, die Kranken- und die Kinderkrankenpflege. Zudem wird in einigen Bundesländern noch Schulgeld verlangt. „Es ist nicht hip zu sagen, ich werde Altenpfleger“, sagte Schwesig. Das gesellschaftliche Ansehen des Berufs müsse besser werden. Es müsse auch mehr „Geld in das System“, um die Bezahlung zu verbessern. Gröhe sagte, eine gute Pflege verlange eine „faire Vergütung“. Er verwies auch darauf, dass die Zahl der Betreuer in den Pflegeheimen von 25.000 auf 45.000 erhöht werden soll. Dies werde die Pflegekräfte entlasten. Gröhe hatte in der vergangenen Woche ein Pflegegesetz vorgelegt, das auch eine Reihe von Leistungsverbesserungen in der ambulanten und stationären Pflege vorsieht. Experten rechnen damit, dass angesichts des wachsenden Pflegebedarfs bis zum Jahr 2030 eine halbe Million Pflegekräfte fehlen könnten.

Die Familienministerin will auch die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessern. Heute werden noch 70 Prozent der 2,5 Millionen Pflegebedürftigen zu Hause von Angehörigen betreut – oftmals der Tochter oder Schwiegertochter. Schwesig kündigte einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung für zwei Jahre zur Pflege eines Angehörigen an. Diese sogenannte Familienpflegezeit gibt es bereits, sie wird aber bisher kaum genutzt. Das Gesetz komme in diesem Jahr, parallel zur Pflegereform, sagte Schwesig. Es werde auch die von Union und SPD vereinbarte zehntägige, bezahlte Auszeit enthalten. Darauf haben Arbeitnehmer einen Anspruch, wenn sie plötzlich einen Pflegefall in der Familie organisieren müssen.

Der Vorsitzende der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Sozialminister Alexander Schweitzer und die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (beide SPD) betonten, sie unterstützten die Pflegereform. Sie drängten aber auf mehr Tempo beim Umbau der Pflegeversicherung zugunsten der Demenzkranken.

Einig sind sich Bund und Länder auch darin, die Vergütung der Krankenhäuser künftig stärker auf Qualität auszurichten. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll ihre Arbeit am 26. Mai aufnehmen, um bis Jahresende ein Konzept zu erarbeiten. 2015 soll die Reform stehen. Das Bundeskabinett hat schon der Gründung eines neuen Instituts zur Messung der Klinikqualität grünes Licht gegeben. Pro Jahr soll es 14 Millionen Euro kosten. Fachleute sollen große Mengen an Daten der Patienten auswerten, die bei den Kassen zur Abrechnung und Bezahlung von Kliniken und Ärzten anfallen – daran soll künftig erkennbar sein, welche Abteilungen Behandlungen gut oder schlecht machen. Patienten sollen zudem mit den Füßen abstimmen: So sind Qualität-Rankings sind geplant. Auch die Bezahlung der Kliniken soll sich stärker nach ihrer Leistung richten.

Gesundheitsminister Gröhe betonte aber, für Klinikplanung und Investitionen sollten weiter die Länder verantwortlich sein. Die SPD-Länder schlugen erneut einen Investitionsfonds in Höhe von einer Milliarde Euro vor, um den Umbau der Krankenhauslandschaft zu finanzieren. Der Bund soll sich daran zur Hälfte beteiligen. Überflüssige Krankenhäuser könnten so etwa zu Pflegeeinrichtungen oder Reha-Zentren umgebaut werden. Gröhe hatte jüngst geklagt, es gebe zu viele Krankenhausbetten in Deutschland. Von 500.000 Betten stünden 113.000 leer. Zur Fonds-Idee äußerte sich der Minister zurückhaltend. Sie könne Teil eines Gesamtkonzepts sein, sagte er lediglich.

In Deutschland sind die Bundesländer für Investitionen der Krankenhäuser verantwortlich, etwa in Gebäude oder Großgeräte. Nach einhelliger Auffassung von Bund, Kliniken und Krankenkassen kommen sie dieser Verpflichtung aber nur unzureichend nach. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte an die Ministerkonferenz appelliert, Bund und Länder müssten die Investitionen in Kliniken gemeinsam aus Steuermitteln übernehmen. Der Bedarf betrage mindestens sechs Milliarden Euro jährlich.

In diesem Jahr werden die Krankenkassen 66 Milliarden Euro an die Kliniken überweisen. Jeder dritte Euro der Beitragszahler geht damit an die Krankenhäuser. Dennoch schreibt rund die Hälfte der 2000 Kliniken rote Zahlen, ein Viertel ist gar insolvenzgefährdet. Mehrmals musste der Bund den Not leidenden Kliniksektor mit Milliardenspitzen zu Hilfe eilen.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erklärte mit Blick auf das Ministertreffen, es gebe zahlreiche Probleme im Klinikbereich, die von der Politik angegangen werden müssten: von den Qualitätsunterschieden zwischen den Kliniken über unnötige Betten bis zur mangelnden Investitionsfinanzierung durch die Bundesländer. „Wir haben ein Problem vor allem mit kleinen Kliniken, und zwar nicht so sehr mit denen auf dem Land, sondern eher im städtischen Raum“, teilte der GKV-Spitzenverband mit. Es sei endlich an der Zeit, die verkrusteten Strukturen zu modernisieren. Die Kassen wollen auch direkte Verträge mit Kliniken über planbare Operationen schließen können.