Die Partei setzt wie immer auf Geschlossenheit und ihre Chefin Angela Merkel. Diskussionen gab es nur um das Thema Rente mit 63

Berlin. Beinahe hätte die CDU ihren Europa-Parteitag unterbrechen müssen. Nicht etwa weil sich die Delegierten über irgendeine Frage zum Wahlkampf für die Europawahl am 25. Mai in die Haare bekommen hätten – die größte Überraschung war noch das Ja der Parteitagsmehrheit für die Abschaffung der Sommerzeit in Europa. Nein, auf dem Gelände der Berliner Messe war am Sonnabend Chlorgas ausgetreten, und die Räume der Antragskommission wurden gesperrt. Da war der Kongress jedoch gerade vorbei. Nach nur fünf Stunden.

„Kurz, aber sehr erfolgreich“, bilanzierte Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel. Das Programm rauschte nach dem Willen der Antragskommission durch. Die Ergebnisse von Generalsekretär Peter Tauber, Schatzmeister Philipp Murmann und Spitzenkandidat David McAllister für die Wahl ins Präsidium näherten sich der 100-Prozent-Marke.

Der Slogan der CDU für die Europawahl ist allerdings nicht sehr einfallsreich: „Gemeinsam erfolgreich in Europa“. Das Motto im Bundestagswahlkampf lautete: „Gemeinsam erfolgreich für Deutschland“. Und Merkel wurde damals plakatiert mit dem Spruch: „Gemeinsam erfolgreich. CDU“. Diese kam dann auf 41,5 Prozent und wurde mit Abstand stärkste Kraft. Das will die Partei nun bei der Europawahl am 25. Mai wiederholen. Dabei kocht sie nach genau einem Rezept: Merkel.

Die Kanzlerin hielt auf dem Parteitag eine Rede mit vielen bekannten Versatzstücken. Sie mahnte wieder, dass Europa nur noch sieben Prozent der Weltbevölkerung ausmache und zusammenstehen müsse, um wirtschaftlich und politisch von Bedeutung zu bleiben. Sie wiederholte, dass Europa aus der Finanz- und Schuldenkrise stärker herauskommen solle, als es hineingeraten sei. Und sie beschwor die Errungenschaften der deutschen Einheit.

Auch ihre Aufforderung, den Menschen Europa in einer einfachen Sprache zu erklären, war nicht neu, deswegen allerdings nicht überholt: „Europa muss bürgernäher werden. Wenn man es nicht mehr schafft, die Regeln der europäischen Kooperation auf Marktplätzen zu erklären, darf man sich nicht wundern, dass die Menschen skeptisch werden.“ Merkel sprach kürzer als geplant, dafür war der Applaus länger als erwartet. Die rund 800 Delegierten standen auf, klatschten und johlten. Das Programm heißt auch bei dieser Wahl: Merkel.

Der Delegierte Christian Bäumler sagte, ihre Rede habe gezeigt, dass sie in Europa am meisten zu sagen habe. In der CDU, so erscheint es, hat Merkel als Einzige etwas zu sagen. Die Aussprache zu ihrer Rede dauerte etwa 30 Minuten. Dabei wurde nur ein Thema kritisch behandelt: Die von der SPD im Koalitionsvertrag durchgesetzte Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren. CDU-Bundestagsabgeordnete fordern, es solle dabei so wenig wie möglich Arbeitslosigkeit anerkannt werden. Die Parteispitze ist längst auf dieser Linie.

Bäumler, Chef der CDU-Sozialausschüsse in Baden-Württemberg, meldete als einer von wenigen CDU-Politikern aber Bedenken gegen Unions-Widerstand gegen die Rente mit 63 und den Mindestlohn an. Schließlich sei beides mit der SPD im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Zudem müssten Menschen von ihrer Arbeit auch leben können. Und wenn die CDU-Mittelstandsvereinigung so wie in Merkels erster Großen Koalition immer gegen soziale Projekte meckere, wolle er nur warnen: „Die CDU verhungerte bei der Wahl 2009 bei 33 Prozent und die FDP kam auf 14.“

Immerhin hat die SPD im aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ auch aufgeholt und kommt nun auf 28 Prozent. Bei der Bundestagswahl hatte sie 25,7 und bei der Europawahl 2009 nur knapp 21 Prozent erzielt. Die Union liegt derzeit weiter bei 40 Prozent, obwohl die SPD derzeit als Motor der Koalition erscheint. In der CDU heißt es schon, die SPD verhalte sich so wie die Kandidatinnen bei „Germany’s next Topmodel“. Jetzt sei es mal gut mit dem Schaulaufen. Und Merkel? Sie schweigt. Sie will den Eindruck vermitteln: Die SPD redet, die Union handelt.

Bei ihrem Auftakt für den Europawahlkampf geht es vor allem um Geschlossenheit. Das war schon immer eine Erfolgsgarantie der CDU. Und dem ordnete sich auch der Parteitag unter. Nicht nur die Aussprache über Merkels Rede konnte in Minuten berechnet werden, auch die Beratung über das Europaprogramm – inklusive Kritik am Anbau von Genmais. Die rund 800 Delegierten beschlossen es mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung.

Im Europawahlkampf wird nun erst einmal nur Merkel plakatiert. Später soll auch der CDU-Spitzenkandidat David McAllister auf den Bildern erscheinen. Dabei ist der seit Monaten unterwegs. Budapest, Brüssel, Madrid, London. Der ehemalige Ministerpräsident von Niedersachsen hat sich eingelesen in die europäischen Verträge von Lissabon, Nizza und Amsterdam, und er hat Vokabeln gepaukt. Französisch will der Deutschschotte lernen. Für seine neue Aufgabe. Beim Parteitag brachte er es kurz und klar auf den Punkt: „Ja, ich bin überzeugter Europäer.“ Küren mussten ihn die Delegierten in dieser Funktion nicht, der Vorstand hat ihn ernannt. Das reicht in der CDU. Aber dafür wurde McAllister mit einem Spitzenergebnis ins Parteipräsidium gewählt.Vor einem Jahr war er noch in den Tiefen seiner Niederlage bei der Landtagswahl in Niedersachsen verschwunden. Nun ist er 43 Jahre alt und zurück auf großer Bühne.

Der Spitzenkandidat aller konservativen Parteien in Europa, Jean- Claude Juncker, gar nicht. So trägt Rezept, Programm und Gesicht der CDU nur einen Namen: Merkel. Auf ihrem Plakat steht schlicht und einfach: „Gemeinsam erfolgreich in Europa. CDU“.