Verteidigungsministerin räumt mit Erbe de Maizières auf und will Bereich Rüstung unter Kontrolle bringen

Berlin. Im Abgang huschte ihr mehr als ein Lächeln übers Gesicht. Als Ursula von der Leyen (CDU) ihr Statement vor den Kameras im Verteidigungsministerium abgegeben hatte, – in dem sie weitreichende personelle und strukturelle Veränderungen in ihrem Haus ankündigte – hielt ihre betroffene Miene nicht lange. Sie könnte geahnt haben, dass dieser 20. Februar wohl irgendwann als Schlüsseltag ihrer Karriere gelten wird. Ein Hochgefühl schien die kontrollierte Ministerin ergriffen zu haben. Kein Wunder, wenn man gerade sein Kanzlerinnenstück angekündigt hat.

Eigentlich klingen die Nachrichten aus ihrem Haus nach dem Vollzug eines Verwaltungsakts, der zwar Polit-Insider aufwühlt, aber sicher nicht die breite Öffentlichkeit interessieren müsste: Am Morgen trennte sich die Ministerin von Rüstungs-Staatssekretär Stéphane Beemelmans. Sie werde den Bundespräsidenten bitten, Beemelmans in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, teilte von der Leyen Verteidigungspolitikern des Bundestags mit. Seine Aufgaben übernimmt vorläufig Generalinspekteur Volker Wieker. Ferner entband sie auch den Abteilungsleiter für den Bereich Rüstung, Detlef Selhausen, mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben. Diese übernimmt zunächst der Abteilungsleiter Planung, Vize-Admiral Joachim Rühle. Den Personalien gingen bereits andere Entlassungen voraus. So setzte von der Leyen gleich nach Amtsantritt Staatssekretär Rüdiger Wolff ebenso vor die Tür wie vor einer Woche den Leiter der Abteilung Politik, Ulrich Schlie. Neuer Staatssekretär wurde ihr Vertrauter Gerd Hoofe. Der übernimmt von Beemelmans nun auch die Zuständigkeit für die Neuausrichtung der Bundeswehr. Die Personalien haben es in mehrfacher Hinsicht in sich.

Mit ihnen bricht von der Leyen mit dem System ihres Vorgängers Thomas de Maizière (CDU). Der wird darüber kaum erfreut sein – Beemelmans gehört zu seinen engsten politischen Weggefährten. Der von ihrem Vorgänger eingeleitete Prozess für mehr Transparenz und Planungssicherheit im Rüstungsbereich sei zwar richtig, sagte die Ministerin. „Aber meine Erfahrung der vergangenen Wochen ist, dass wir einen personellen Neustart brauchen, damit dieser Prozess auch von allen im Haus gelebt werden kann.“ Am Abend zuvor hatte sich von der Leyen beim ersten sogenannten Rüstungsboard den Stand aller größeren Rüstungsprojekte – es handelt sich um 15, darunter Eurofighter, Puma, Euro Hawk und NH90 – darstellen lassen. Laut Ministerium billigte die Ministerin aber keinen der präsentierten Statusberichte. Damit war das Urteil über die genannten Mitarbeiter gesprochen.

Das Finale der personellen Neuausrichtung des Hauses steht für strukturelle Maßnahmen, die nur ein Ziel haben: von der Leyen will im Bereich der Rüstungsbeschaffung aufräumen. Es ist nicht übertrieben, hier von der größten und gefährlichsten Hydra zu sprechen, die die Verteidigungspolitik zu bieten hat. Schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen mehrere nach. „Das ist der harte Kern der Verteidigungspolitik und politisch am stärksten risikobehaftet“, sagte Hans-Peter Bartels (SPD), der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. „Das ist wirklich ein Befreiungsschlag.“

Seit Jahren, nein, vielmehr seit Jahrzehnten versuchen sich Verteidigungsminister an dieser Mammutaufgabe. Mit sehr mäßigem Erfolg, wie die ausufernden Kosten bei fast sämtlichen größeren Rüstungsprojekten und die jahrelangen Verzögerungen bei der Beschaffung verraten. Teilweise geht es hier um zehn und mehr Jahre. Auch werden die bestellten Produkte am Ende häufig nicht in dem ursprünglich geforderten Umfang oder einer minderen Qualität abgeliefert. Gegen diese „Minderleistungen“ hat die Politik oft nichts in der Hand. Die Frage nach Regress ist vertraglich oft nicht ausreichend geregelt. „Wir verlangen von der wehrtechnischen Industrie, dass sie verlässlich in Zeit und Qualität liefert“, sagt von der Leyen. Umgekehrt dürfe sie von der Bundeswehr als Auftraggeber Planungssicherheit erwarten. „Da können wir alle noch besser werden.“

Im vergangenen Sommer hatten sich diese offensichtlichen Defizite in der Affäre um die Aufklärungsdrohne Euro Hawk manifestiert. Darüber wäre de Maizière als Minister beinahe gestürzt. Er konnte sich nur retten, weil er behauptete, nicht informiert worden zu sein und damit die Schuld auf Mitarbeiter abwälzte – genau auf jene, die von der Leyen nun sämtlich ersetzt. Sie zieht damit die „personellen Konsequenzen“, die sich de Maizière immer vorbehielt, aber nie umsetzte. Er brauchte diese Leute ja auch noch, denn seine Strategie war es, für ihn problematische Verantwortlichkeiten zu delegieren. In der Affäre Euro Hawk erwies sich das als größte Schwäche.

Von der Leyens Schritt sendet dagegen ein Signal politischer Stärke und des Mutes. Wenn man sich irgendwo als absolute Anfängerin in der Verteidigungspolitik profilieren kann, dann im Bereich Rüstungsbeschaffung. Ihre Botschaft: Wenn ich das schaffe, schaffe ich alles. Dann kann ich auch Kanzlerin. Wenn von der Leyen tatsächlich Verbesserungen in dem Bereich gelingen, die helfen, weniger Steuergeld zu verschwenden und der Truppe eine bessere Ausrüstung zuzuführen, wäre das ihr Meisterstück. Gerade weil die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns höher ist als die des Erfolgs.