Hellmut Königshaus sieht in vielen Bereich der Bundeswehr „die Grenze der Belastbarkeit überschritten“. Lob findet der Wehrbeauftragte für die neue Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Berlin. Auslandseinsätze, Personalmangel und schlechte Ausstattung sorgen für Unmut in der Bundeswehr. „In vielen Bereichen ist die Grenze der Belastbarkeit erreicht, vielfach sogar überschritten“, sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), am Dienstag in Berlin. Königshaus äußerte sich anlässlich der Vorstellung des 55. Jahresberichts.

Der Wehrbeauftragte bezeichnete 2013 als „Jahr des Umbruchs“ für die Bundeswehr. Trotz erheblicher Reduzierung des Personals mussten neue Einsätze bewältigt werden. Aufgrund der Reform der Bundeswehr seien die Soldaten zunehmend verunsichert, was ihre zukünftige Position oder ihren Arbeitsort betrifft.

Außerdem äußerte Königshaus Zweifel an der Erreichbarkeit zentraler Ziele der Bundeswehrreform. „Es ist fraglich, ob die Bundeswehr wirklich einsatzfähiger, nachhaltig finanzierbar und attraktiver wird“, heißt es im Jahresbericht. Daher solle die für 2014 ohnehin vorgesehene Evaluierung der Neuausrichtung „als Chance genutzt werden, dort Veränderungen vorzunehmen, wo gravierende Probleme erkannt werden“.

Mit Blick auf den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Ende 2014 sagte Königshaus: „Dieser Einsatz kann nicht als abgeschlossen betrachtet werden.“ Der Wehrbeauftragte verwies in diesem Zusammenhang auf die Zahl der gefallenen Soldaten. Die Ausrüstung sei in den vergangenen Monaten zwar deutlich verbessert worden, allerdings ging dies zulasten der Stützpunkte in Deutschland.

Als „unbefriedigend“ stufte Königshaus erneut die Personal- und Materiallage der Bundeswehr ein. So sei im Bereich der Mannschaftsdienstgrade schon heute ein erheblicher Personalmangel festzustellen. „Besserung zeichnet sich bisher nicht ab“, stellte der Wehrbeauftragte fest.

Beim Großgerät des Heeres gebe es „strukturelle Defizite“ und „systematische Mangelverwaltung“. Zum Großgerät zählen Panzer, Transportfahrzeuge, Hubschrauber, Kampf- und Transportflugzeuge sowie Schiffe.

Sorge über sexuelle Übergriffe

Auch über sexuelle Belästigung von Frauen bei der Bundeswehr zeigte sich Königshaus besorgt. Die Ergebnisse einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, nach der 55 Prozent der Soldatinnen bereits mindestens einmal sexuell belästigt wurden, nannte er bei der Vorstellung des Jahresberichts beunruhigend. Er warf dem Verteidigungsministerium vor, die bereits 2011 erhobenen Daten lange Zeit „unter Verschluss gehalten“ zu haben.

Laut Bericht wurden im vergangenen Jahr 64 Verdachtsfälle sexueller Belästigung bei der Bundeswehr registriert. Im Vorjahr waren es 50. Königshaus beklagt, dass sich viele Frauen nicht trauten, Übergriffe zu melden. „Bei betroffenen Soldatinnen bestehen leider oftmals Hemmungen, Diskriminierung und Fälle von sexueller Belästigung zu melden, weil sie persönliche Nachteile befürchten“, erklärte er.

Lob und Unterstützung für von der Leyen

Den Vorstoß von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundeswehr zu verbessern, begrüßte Königshaus. „Der Dienst muss so gestaltet werden, dass er dennoch ein befriedigendes Familienleben zulässt.“ Von der Leyens Pläne seien bei den Soldaten gut angekommen. Nun müssten Taten folgen.

Derweil haben führende Unions-Politiker dem Eindruck widersprochen, von der Leyen plane einen grundlegenden Wandel in der deutschen Sicherheitspolitik. „Das ist kein Paradigmenwechsel“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, am Dienstag in Berlin. „Ich glaube, dass ein bisschen übertrieben wird, wenn man von einem Paradigmenwechsel spricht“, sagte auch die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt. Sie stimme von der Leyen bei dem Ziel zu, eine engere Abstimmung in der EU über Militäreinsätze zu erreichen.

Beide Politiker betonten, dass am Prinzip der Zustimmung des Parlaments zu Auslandseinsätzen nicht gerüttelt werden dürfe. Dieser Punkt war immer wieder als ein Hindernis für schnelle Absprachen für gemeinsame Einsätze auf EU- oder Nato-Ebene kritisiert worden.

Hasselfeldt betonte, dass es ohnehin nicht um Kampfeinsätze in Afrika gehen könne. Man sei auch erst am Anfang der Diskussion, ob etwa die Ausbildungsmission in Mali aufgestockt werden solle. Grosse-Brömer betonte, von der Leyen gehe es gar nicht um einen leichteren Einsatz der Bundeswehr im Ausland. Es sei aber richtig darauf zu verweisen, dass es wichtige Gründe gebe, sich in Afrika zu engagieren. Auch im CDU/CSU-Fraktionsvorstand sei dies am Montagabend so diskutiert worden. Man dürfe die Stabilisierung etwa in der Region um Mali „nicht nur ehemaligen Kolonialmächten“ überlassen, sagte er in Anspielung auf Frankreich.