Hans-Olaf Henkel will für die AfD ins Europaparlament einziehen. Die Gemeinschaftswährung entsolidarisiert seiner Meinung nach die Mitgliedsstaaten

Hamburg. Hans-Olaf Henkel, 73, hatte Pech in diesem Winter. Er verletzte sich beim Skifahren. So wie die Kanzlerin. Hätte er neben Angela Merkel im Krankenhaus gelegen, was hätte er ihr gesagt? „Sie soll den Euro abschaffen“, antwortet Henkel. Im Mai will er für die Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland (AfD) für das Europaparlament kandidieren. Ein Gespräch über die EU, die Kanzlerin und seine Heimatstadt Hamburg.

Hamburger Abendblatt:

Was bedeutet Ihnen Europa?

Hans-Olaf Henkel:

Viel. Ich habe über die Hälfte meines beruflichen Lebens im Ausland gelebt. Ich bin begeisterter Europäer. Und gerade deshalb setze ich mich jetzt auch in der AfD für eine alternative Euro-Politik ein. Ich bin überzeugt, dass der Euro Europa langfristig ökonomisch und wirtschaftlich schwer schadet.

Sie schreiben in Ihrem Buch „Euro-Lügner“ über die Krise in Europa. Was läuft denn schief?

Henkel:

Im Süden Europas zeichnet sich eine soziale Katastrophe ab – mit einer Rekord-Arbeitslosigkeit. Das ist eine logische Folge der Einheits-Euro-Politik. Der Euro ist für den Süden zu stark geworden, und für den Norden Europas zu schwach. Das Resultat: Griechen, Italiener und Spanier können ihre Waren kaum noch exportieren. Deutschlands Industrie findet die Ungleichheit der Nationalstaaten in einem Währungsraum dagegen prima. Denn der aus ihrer Sicht abgewertete Euro macht Exporte günstiger.

Die AfD fordert, dass Krisenstaaten aus dem Euro ausscheiden. Verlieren Finanzwelt und Industrie dann nicht sämtliches Vertrauen in die Währung – mit gravierenden Folgen auch für Deutschland?

Henkel:

Jeder Austritt aus dem Euro wird riskant. Dafür hat aber vor allem die Euro-Politik der EU-Staaten, allen voran Kanzlerin Merkel, gesorgt. Drei Szenarien sind denkbar: Schuldenstaaten wie Griechenland werden aus dem Euro entlassen. Nachteil wäre ein Bankensturm in Athen – und damit vielleicht auch in Rom oder Paris. Die zweite Option: Alle kehren zu ihren alten Währungen zurück. Doch besteht die Gefahr einer Renationalisierung in Europa. Die dritte Möglichkeit: Nur die Länder mit einem positiven Haushalt steigen aus dem Euro aus, also Deutschland, Österreich, Holland und Finnland.

Sie plädieren für Deutschlands Euro-Ausstieg?

Henkel:

Das hätte den Vorteil, dass ein Bankensturm in Athen ausbleibt, denn die Griechen und andere behalten ja den Euro. Gleichzeitig haben die Südeuropäer unter Frankreichs Führung einen Währungsraum auf einem etwa gleichen Wirtschaftsniveau. Der Austritt der Überschussländer würde zur Abwertung des Euro und zur dringend notwendigen Belebung der Wirtschaft im Süden führen.

Sie sagen, dass Sie begeisterter Europäer sind und fordern einen „Reste-Euro“ für die EU-Krisenstaaten. Klingt nicht sehr solidarisch.

Henkel:

Wir haben heute schon ein entsolidarisiertes Europa. Neun Länder der EU wie zum Beispiel Tschechien oder Schweden haben gar keinen Euro. Und kaum jemand in diesen Staaten will den Euro als Währung überhaupt noch. Die britische Regierung schimpft über den Euro-Zentralismus in Brüssel. Nicht unwahrscheinlich ist, dass die Briten lieber ganz aus der EU austreten. Früher waren die Deutschen die beliebtesten Europäer in Griechenland, als Frau Merkel in Griechenland zu Besuch war, musste sie von 7000 Polizisten beschützt werden. Der Euro sät Zwietracht.

Die akute Euro-Krise scheint gebannt – Griechenland und Portugal sind über das Schlimmste hinweg, heißt es. Überholt die Realität in Europa die Drohszenarien der AfD?

Henkel:

Schön wär’s! Niemand von uns hat Interesse am Untergang an Europa. Aber die Prognose der Optimisten trifft nicht zu. Griechenlands Schuldenstand ist heute dreimal so hoch, wie er sein sollte. Das Land wird alle zwei Jahre von anderen EU-Staaten gerettet werden müssen.

Ist die AfD eine Protest-Partei mit nur einem Thema: Raus aus dem Euro?

Henkel:

Immerhin ist die AfD die einzige Partei, die den Euro und seine schädigenden Auswirkungen auf Europa überhaupt zum Wahlkampf-Thema macht. Die anderen Parteien schweigen. Und Merkel macht jede Debatte über den Euro zu einem Tabu. Dabei wurden sämtliche Versprechen, die uns damals bei der Aufgabe der D-Mark gegeben gebrochen. Nicht nur das, auch Verträge wie zum Beispiel die „No-Bail-Out-Klausel“, das Verbot der finanziellen Unterstützung aller Länder wurden gebrochen. Damit wurde die Brandmauer zwischen den deutschen Steuerzahlern und ausgabefreudigen Politikern eingerissen.

Der Anti-Euro-Wahlkampf der AfD spricht auch Rechtsextreme an.

Die Partei setzt sich offensiv mit dem Andrang von einzelnen Rechtsextremen auseinander. Ich bewundere Parteichef Bernd Lucke für seine Konsequenz, mit der er durchgreift. Ich habe selbst das Antragsformular der AfD unterschrieben. Wenn Sie Mitglied in der NPD oder Republikaner wären, würde Ihnen der Zutritt zur AfD verwehrt. Wären CDU, CSU, SPD und FDP in den 1950er-Jahren so vorgegangen wie die AfD heute, dann hätten wir nicht so viele Nazis in prominenten politischen Positionen erleben müssen.

Parteichef Lucke spricht öffentlich von einer „Entartung“ der Demokratie in Deutschland. Ist nationalsozialistische Semantik nicht kontraproduktiv im Einsatz gegen Rechtsextreme?

Henkel:

Die Medien beschäftigen sich wochenlang und offenbar immer noch mit dieser Wortwahl und nicht mit den Inhalten der Partei.

Aber wir haben doch schon viel über Euro und Europa gesprochen.

Henkel:

Die Aufregung über den Begriff „Entartung“ ist eine Steilvorlage für die Medien und die politische Konkurrenz. Ein Begriff, der im Übrigen gar nicht aus der Nazi-Zeit stammt und auch von anderen Politikern anderer Parteien immer mal wieder benutzt wurde. In Deutschland wird jeder, der den Euro kritisiert, in die rechte Ecke geschoben. Das habe ich auch persönlich gespürt. Dieses Redeverbot ist furchtbar, weil es die Rechtsextremen in Europa erst stark macht.

Früher standen Sie der FDP, dann den Freien Wählern nahe. Werden Sie in der AfD bleiben, auch wenn die Partei bei der Europa-Wahl im Mai scheitert?

Henkel:

Ja, selbstverständlich. Nach langer Suche habe ich mich zum ersten Mal für die Mitgliedschaft in einer Partei entschieden. Dafür habe ich mich jetzt aus allen anderen Ämtern in der Wirtschaft zurückgezogen. Ja, ich stand der FDP nahe – aber die Partei hat ihre liberalen Ideale verraten. Nach außen predigt der neue Parteichef Christian Lindner liberale Ideale wie Subsidiarität, Wettbewerb und Eigenverantwortung, in der Euro- und Europapolitik praktiziert seine Partei das genaue Gegenteil: Zentralisierung, Harmonisierung, Gleichmacherei und die Vergemeinschaftung der Staatsschulden. Das ist der Verrat liberaler Vordenker.

Ralf Dahrendorf, ein Liberaler, war Ihr Professor, als Sie an der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) in Hamburg studiert haben. Eine Hochschule, aus der viele Gewerkschafter hervorgingen. Waren Sie damals links?

Henkel:

Nein, ich war Unternehmersohn und damals schon liberal. Und die HWP war damals politisch neutral. Leider ist die Universität später nach links abgedriftet. Übrigens, Dahrendorf war auch ein leidenschaftlicher Gegner des Euro, genau so wie Graf Lambsdorff.

Sie leben heute in Berlin. Was verbindet Sie noch mit Hamburg?

Henkel:

Ich bin oft in Hamburg. Meine Geschwister wohnen hier. Hamburg ist die attraktivste Stadt Deutschlands – und das meine ich mal ganz ohne Romantik. Vor allem eines imponiert mir: In Hamburg hat sich bei politischen Konflikten immer die Vernunft am Ende durchgesetzt.