Der Wechsel des ehemaligen Kanzleramtsministers in den Vorstand der Bahn trifft auch in der CDU auf Unverständnis

Berlin. Kritik am Wechsel von Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) in den Vorstand der Bahn kommt nun auch aus seiner Partei. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Baden-Württembergischen Landtag, Peter Hauk, fordert Pofalla auf, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Hauk sagte dem Abendblatt: „Grundsätzlich sind Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft zu begrüßen, da ein Erfahrungsaustausch im Interesse aller liegt. Da es sich bei der Deutschen Bahn jedoch um ein Unternehmen handelt, dass zu 100 Prozent in Staatsbesitz ist, muss eine Interessenkollision auch dem Anschein nach vermieden werden. Deshalb sollte Ronald Pofalla sein Bundestagsmandat aufgeben.“

Pofallas Seitenwechsel hat auch die Debatte über strengere Vorgaben für ausscheidende Spitzenpolitiker neu entfacht. „Es kann nicht sein, dass Großunternehmen wie Daimler oder Deutsche Bahn sich mit hohen Gehältern Insiderkontakte zur Bundesregierung einkaufen“, kritisierte die Organisation LobbyControl am Freitag. Sie forderte eine gesetzliche Sperrzeit von drei Jahren für die Übernahme von Lobbytätigkeiten. Von der Opposition, aber auch vom Unions-Regierungspartner SPD kam Kritik. Der Bund als Bahn-Eigentümer äußerte sich nicht zu der Personalie.

„Es gibt zurzeit keinerlei Entscheidungsnotwendigkeit“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Er hob hervor, dass Pofalla dem Kabinett nicht mehr angehöre. Es handele sich also nicht um einen direkten Wechsel aus einem Amt in ein anderes, das sei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wichtig. Was Pofalla tue oder nicht tue, liege nicht in der Hand der Bundesregierung. Laut Bundesverkehrsministerium will sich der Bund erst zu einer Personalie äußern, wenn diese eine Angelegenheit des Bahn-Aufsichtsrats sei. „Die ist es noch nicht“, sagte ein Sprecher. Die nächste reguläre Sitzung des Kontrollgremiums soll Ende März stattfinden.

Der 54-jährige Pofalla soll bei der Bahn AG nach übereinstimmenden Berichten ein neues Vorstandsressort für die Unternehmensstrategie und Kontakte zur Politik übernehmen. Erst Mitte Dezember war bei der Bildung der neuen schwarz-roten Bundesregierung überraschend Pofallas Rückzug aus der ersten Reihe der Bundespolitik bekannt geworden. Über den Vertrauten von Kanzlerin Merkel (CDU) hatte es geheißen, er wolle nach einer Auszeit in die Wirtschaft wechseln und mehr Zeit für sein Privatleben haben. Sein Bundestagsmandat hat der Jurist behalten.

Im November war schon der Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), als Leiter Politik und Außenbeziehungen zum Autokonzern Daimler gewechselt. Nachdem Kritik laut geworden war, hatte der 48-Jährige seine Parteiämter in der CDU aufgegeben. Diese Notwendigkeit sieht CDU-Politiker Hauk im Fall Pofalla nicht: „Wir wollen doch niemanden ächten, der in die Wirtschaft wechselt. Es kann im Gegenteil einer Partei nur guttun, wenn sie in ihren Führungsgremien Menschen mit Erfahrungen in der Wirtschaft hat.“

LobbyControl forderte Union und SPD auf, strengere Regeln für Ex-Regierungsmitglieder vorzulegen. „Angesichts der fortgesetzten Seitenwechsel aus dem Kanzleramt ist hier Bundeskanzlerin Merkel persönlich in der Verantwortung.“ Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD eine „angemessene Regelung“ erarbeiten, „um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden“. Näheres wurde von den Koalitionären aber nicht vereinbart.

Linke-Chefin Katja Kipping sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Wir brauchen eine fünfjährige Karenzzeit für Regierungsmitglieder, in der Wechsel auf Spitzenposten in der Wirtschaft verboten sind.“ Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International (TI) forderte ebenfalls eine Pause, zumindest unter bestimmten Bedingungen: „Wenn es einen engen Sachzusammenhang gibt, drei Jahre, und wenn es keinen Zusammenhang gibt, null Jahre“, sagte TI-Deutschland-Geschäftsführer Christian Humborg dem Sender HR-Info.

Transparency sprach von einem Verfall politischer Sitten. Pofalla werde sein Bundestagsmandat zurückgeben müssen, sagte auch Humborg dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auch der Internetdienst abgeordneten-watch.de warf die Frage auf, wie Pofalla einen Vorstandsposten, der mit über einer Million Euro dotiert sei, mit seinem Abgeordnetenmandat vereinbaren wolle.

Ulrich Kelber (SPD), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, kritisierte den Wechsel: „Da entsteht der Eindruck, dass der bisherige Kanzleramtsminister gezielt gekauft wird“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“, schließlich sei Pofalla „nicht als Technikvorstand“ im Gespräch. CDU-Bundesvize Armin Laschet sagte dem WDR mit Blick auf Pofalla: „Ich kann mir nicht vorstellen, wenn er dahin geht, dass er dann das Bundestagsmandat behält.“

Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte dem Blatt: „Wenn Pofalla tatsächlich in den Vorstand der DB AG in ein eigens für ihn geschaffenes Ressort wechseln wird, hat das nicht nur ein Geschmäckle, sondern ist das empörend.“ Sie kritisierte: „Es kann nicht sein, dass es einen nahtlosen Rollenwechsel vom gerade noch Kanzleramtsminister zum Lobbyisten eines Konzerns gibt.“ Der Fall unterstreiche die Forderung der Grünen nach einer Karenzzeit für Regierungsmitglieder, die in die Wirtschaft oder in Verbände wechseln wollten.

Schon vor seiner Zeit in Merkels Kanzleramt war Pofalla ein wichtiger Vertrauter der CDU-Chefin gewesen. Von 2005 bis 2009 arbeitete er als Generalsekretär der Partei. Auch in den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen war Pofalla stark präsent. Immer wieder war er Merkels Mann fürs Grobe: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“, schleuderte er dem CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach entgegen, als der sich von seinem Nein zu einem neuerlichen Griechenland-Hilfspaket nicht abbringen ließ.

Zuletzt geriet Pofalla wegen seines Krisenmanagements in der NSA-Spähaffäre in die Kritik. Die Opposition hielt dem für die Geheimdienste zuständigen Kanzleramtschef mangelnden Aufklärungswillen vor. Er hatte die Spähaffäre frühzeitig für beendet erklärt. Merkel bedauerte Pofallas Abgang, den sie zu verhindern versucht hatte. „Aber nach den langen Gesprächen sage ich einfach auch, ich respektiere es“, sagte sie.

Erst Mitte Dezember war bei der Bildung der neuen schwarz-roten Bundesregierung Pofallas Rückzug aus der ersten Reihe der Bundespolitik bekannt geworden. Merkel bedauerte Pofallas Abgang, den sie zu verhindern versucht hatte. „Aber nach den langen Gesprächen sage ich einfach auch, ich respektiere es“, sagte sie.

Bei der Bahn ist der Aufsichtsrat für Vorstandsfragen zuständig. Zur nächsten regulären Sitzung kommt das Kontrollgremium Ende März zusammen. Um politische Beziehungen kümmert sich für die Bahn als Beauftragter des Vorstands bisher der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Georg Brunnhuber. Auch bei der EU in Brüssel tritt der Konzern für seine Interessen ein. Ein Vorstandsressort für Politik und Wirtschaft hatte es bei der Bahn schon bis 2009 gegeben. Damals war der frühere bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) auf den Posten geholt worden.